Hessen verfressen
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Selten geht es bei Essen nur um die Sache selbst. Fast immer schwingt bei unserer Nahrungsaufnahme mehr mit als bloß das Ziel, zur Sättigung zu gelangen. Wenn wir speisen und trinken kreuzen sich die höheren und niederen Bestimmungen des Menschen. Essen ist eigentlich immer ein Medium für etwas Anderes. Zumal für die Hessen. Erfanden sie nicht den Apfelwein, um ihren Eigensinn und ihre Widerständigkeit auszuleben? Abgründe tun sich auf, schaut man erst mal unter den Teller, auf dem unsere Gerichte dampfen. Damit ist aber nicht verdorbenes Fleisch und ähnliches gemeint, sondern die Veränderungen, die sie beim Menschen und seinem sozialen Umfeld erzeugen, die bizarren Rituale, die sich um ihren Verzehr ausgebildet haben, die Entblößungen, die sie zur Folge haben. So ereignen sich an einer Imbissbude mitten in Frankfurt regelmäßig Selbstkasteiungen beim täglichen Currywurstessen. Das süße Fruchtfleisch der Kirschen im nordhessischen Witzenhausen ist eigentlich nur lästig, wenn es jährlich um die Meisterschaften im Kirschkern-Weitspucken geht. Andererseits steckt die hessische Küchengeschichte auch voller Triumphe. In Gießen entwickelte Justus Liebig den Fleischextrakt, und in Langen ist ein Koch namens Juan Amador auf dem besten Wege, Speisen gleich ganz zu entmaterialisieren. Die dreißig Aufsätze in „Hessen verfressen – Orte kulinarischer Erfahrung“ handeln von Entdeckungen, Erkundungen und Beobachtungen der anderen kulinarischen Kultur in der hessischen Geschichte fernab von der Welt der Restaurantführer und Kochbücher.