Die Leistungsbeziehungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts
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Der mit dem demographischen Wandel und dem medizinisch-technischen Fortschritt einhergehende Kostendruck gefährdet die Erfüllung des Versorgungsauftrages in der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Gesetzgeber hat aus diesem Grund Massnahmen ergriffen, die dem Bereich des solidarisch ausgestalteten Krankenversicherungsrechts bislang fremd waren und die man stattdessen eher aus Bereich der freien Wirtschaft kannte. Derartige Massnahmen sind dem europäischen Gemeinschaftsrecht unterworfen, wenn die Anwendungsvoraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind. Die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer Sozialversicherungssysteme steht diesem Grundsatz weder entgegen noch wird sie durch ihn berührt. Solange und soweit der Gesetzgeber kraft seiner Zuständigkeit entscheidet, die Absicherung der Bürger dem Regime eines nach dem Solidarprinzip funktionierenden Gesundheitssystems zu unterwerfen, bleiben krankenversicherungsrechtlich relevante Sachverhalte einer gemeinschaftsrechtlichen Bewertung entzogen. Der Autor untersucht vor diesem Hintergrund, ob und inwieweit sich die Leistungsbeziehungen der gesetzlichen Krankenversicherung am Massstab des europäischen Wirtschaftsrechts messen lassen müssen. Er zeigt auf, dass das Solidarprinzip die Rechtsbeziehungen zwischen den Leistungserbringern und den Versicherten nur am Rande berührt und dass Beschränkungen des Leistungsanspruchs durch Zustimmungserfordernisse für Krankenbehandlungen in einem anderen Mitgliedstaat daher einer durch das Gemeinschaftsrecht anerkannten Rechtfertigung bedürfen. Das Erfordernis nach finanzieller Stabilität und nach Wirtschaftlichkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung kann mit derartigen Leistungsbeschränkungen verbundene Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit der Versicherten ebenso rechtfertigen wie Beschränkungen des Anspruchs von Leistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten auf Zulassung zur Versorgung der Versicherten zu finanziellen Lasten der Krankenkassen. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern sind im Gesamtzusammenhang mit dem gesetzlichen Versorgungsauftrag der Kassen zu betrachten. Dies führt dort zur Unanwendbarkeit des europäischen Gemeinschaftsrechts, wo wirtschaftliches Handeln vorausgesetzt wird, namentlich im Bereich des Kartellrechts. Der Autor spannt den Bogen von den Ergebnissen seiner Untersuchung zu der Initiative der europäischen Kommission für einen Gemeinschaftsrechtsakt über die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung. Im Spannungsverhältnis zwischen den nationalen Krankenversicherungsrechtsordnungen und dem europäischen Wirtschaftsrecht vertritt er einen Ansatz der Kooperation. Danach können die europaweit anerkannten Grundsätze der Gleichheit, der Universalität und der Solidarität in der Gesundheitsversorgung am besten realisiert werden, wenn beide Rechtskreise bzw. die hinter ihnen stehenden Gesetzgebungsorgane insoweit integrativ zusammenarbeiten. Normative Abgrenzungen sind dagegen nicht hilfreich und führen nach Ansicht des Autors zu Rechtsunsicherheit und Rechtsunklarheit für die Versicherten, die Leistungserbinger und die Träger der mitgliedstaatlichen Krankenversicherungssysteme.