Das Laszive der Keuschheit in der europäischen Kunst
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Die berühmte Episode der versuchten Verführung des jungen Joseph durch die Frau des Potiphar aus der biblischen Geschichte reizte Künstler zu allen Zeiten, einen zugleich erotisch-moralischen und zutiefst menschlichen Konflikt in Szene zu setzen. In der alttestamentlichen Erzählung ist die folgenschwere Entscheidung in einem einzigen Augenblick verdichtet: 'Und sie erwischte ihn bei seinem Kleid und sprach: Lege Dich zu mir! Aber er ließ das Kleid in ihrer Hand und floh und lief zum Hause hinaus.' Dem menschlichen Dilemma dieses verfehlten Begehrens folgt in der Überlieferung die weibliche Verleumdung am Tugendheld Joseph. Eine eingehende Beschäftigung mit der Rezeption dieser Urszene im Verhältnis der Geschlechter zeigt, dass die knappe Schilderung eine unerschöpfliche Vielfalt an Lesarten im Spannungsfeld von Keuschheit, Menschlichkeit und Laszivität zulässt. Anhand von rund dreihundert Bildbeispielen, angefangen bei frühchristlichen Bibelillustrationen bis hin zur zeitgenössischen Kunst, untersucht die Autorin enzyklopädisch, wie sich in der visuellen Umsetzung kulturelle, religiöse, moralische und ästhetische Werte spiegeln, aber auch in Widerstreit geraten. Das bisher kaum beachtete Bildsujet, dem hier erstmals eine umfassende Studie gewidmet wird, erweist sich als kulturelle Schlüsselszene der Spannung zwischen Verbot und Begehren, Flucht und Anziehung.