Das Phantom der Volksgemeinschaft
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Die deutsche Geschichtsschreibung über die nationalsozialistische Zeit hat sich seit mehr als zehn Jahren einem fragwürdigen Erklärungsansatz verschrieben. Dabei gehen führende Vertreter der universitären Forschung davon aus, dass ältere Ansätze den Gewalt- und Repressionscharakter des Regimes gegenüber der Bevölkerung überbetont hätten. Um aber eine angeblich breite Zustimmung und hohe Integrationsbereitschaft der Deutschen zu erklären, gelte es, den Faktor ‚Volksgemeinschaft‘ ins Zentrum der Untersuchungen zu stellen. Die beträchtlichen sozialen Bindekräfte beim Funktionieren des NS-Regimes müssten einbezogen werden. Dabei wird dem problematischen, religiös fundierten Begriff der ‚Verheißung‘ eine Schlüsselrolle zugewiesen. Dagegen setzt die vorliegende Studie die realen klassengesellschaftlichen Strukturen in ihre Rechte. Dabei werden die Schwierigkeiten aufgezeigt, mit denen die abhängig Beschäftigten nach der gewaltsamen Zerschlagung von Gewerkschaften, Betriebsräten, Kommunikationsmedien und Milieus zu kämpfen hatten, um ihre Interessen zu wahren. Hinter dem Schleier volksgemeinschaftlicher Phrasen, die allenfalls der Selbstaffirmation der Machthaber dienten, vollzog sich eine bedrückende Ausbeutungspolitik, die erst nach Erreichen der Vollbeschäftigung seit 1936 individuell erkämpfte Lohnaufbesserungen zuließ. Eine „Betriebsgemeinschaft“ blieb aber ein Fremdwort, vielmehr nahmen Oppositionshaltungen in Form von Abwanderungen, Bummeleien, Fehlzeiten, Krankmeldungen und Aufsässigkeiten bis in den Krieg hinein zu.