Am Fluss
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Die Gegend entlang des Ch’ônggye-Flusses, der durch das Zentrum von Seoul fließt, bildet gleichsam die Bühne, auf der sich die Handlung des Romans Ch'ŏnbyŏn P'unggyŏng 천변풍경 (川邊風景) von Pak T’aewôn vollzieht. In einer Folge von 50 voneinander unabhängigen Episoden, die sich bisweilen miteinander überkreuzen und verbinden, kommen Personen aus allen Schichten der Gesellschaft zum Auftritt. Manche begegnen dem Leser immer wieder und führen die in Kapiteln zuvor begonnenen Handlungsstränge fort, viele von ihnen aber finden nur einmal Erwähnung, um dann im Räderwerk der Großstadt unterzugehen. Trotz der scheinbar objektiven Perspektive des camera eye, aus der Pak seine Figuren beobachtet, steht er diesen keinesfalls gleichgültig gegenüber. Seine Sympathie gehört den Schwachen und Unterprivilegierten, die sich, bei allen Freiheiten und Möglichkeiten, die die Modernisierung des Landes mit sich bringt, mit den Ungerechtigkeiten eines unbarmherzigen Materialismus konfrontiert sehen und ihre eigenen Überlebensstrategien entwickeln müssen. Mit kritischem Blick betrachtet T’aewôn die Mächtigen und Wohlhabenden, die Amtsinhaber und Emporkömmlinge, wobei diese Kritik eine vorsichtige, mit leisem Spott und Ironie geäußerte ist, in den Grenzen der in Korea damals herrschenden strengen Medienzensur durch die japanischen Kolonialherren. Dieser Roman steht für eine im Korea der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts neu entstehende Literatur, die das Großstadtleben zu ihrem Thema macht. Durch die Anwendung modernistischer Techniken, die sicher nicht zufällig an James Joyces Darstellungsweise von Dublin erinnern, gelingt Pak ein faszinierendes Kaleidoskop städtischen Lebens im Seoul der 1930er Jahre, im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne.