Der ökonomische Code
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Sie haben eingekauft und nähern sich, die Arme voller Lebensmittel, den Schlangen an den Supermarktkassen. Sollten Sie jetzt von Schlange zu Schlange wanken und die kürzeste suchen oder sich einfach an der nächstgelegenen anstellen? Die erste und einfachste Antwort sagt, daß alle Schlangen ungefähr von gleicher Länge sein werden, daher lohnt es sich nicht, nach einer kürzeren zu suchen. Warum? Kunden, die sich an einer Stelle befinden, von der aus sie zwei verschiedene Schlangen überblicken können, werden zu derjenigen gehen, die ihnen kürzer erscheint. Indem sie das tun, verlängern sie diese Schlange; der Prozeß setzt sich fort, bis beide Schlangen die gleiche Länge erreicht haben. Dasselbe geschieht mit jedem Paar benachbarter Scvhlangen, also werden alle Schlangen ungefähr gleich lang sein. Eine aufwendige Suche nach der kürzesten lohnt sich nicht. Das setzt allerdings voraus, daß jeder ohne Mühe feststellen kann, welche Schlange kürzer ist. Aber ausschlaggebend dabei ist nicht die räumliche Länge der Schlange, sondern ihre zeitliche Länge; Sie stehen lieber hinter zehn Kunden, von denen jeder nur wenige Dinge gekauft hat, als hinter acht mit vollen Einkaufswagen. Abzuschätzen, welche Schlange Sie am schnellsten aus dem Laden bringt, erfordert ein gewisses Maß an mentaler Anstrengung. Wenn das System so gut funktionierte, daß alle Schlangen exakt dieselbe Länge hätten (in Zeit gerechnet), so würde sich die Mühe niemals lohnen, also gäbe es auch nichts, was die Schlangen auf gleicher Länge hält. Im Schnitt wird die zeitliche Länge der Schlangen sich gerade um soviel unterscheiden, daß sich der Aufwand lohnt, herauszufinden, welche gerade kürzer ist. Wenn sich die Schlangen deutlicher unterschieden, würde jeder nach der kürzesten suchen und alle Schlangen bekämen die gleiche Länge. Unterschieden sie sich weniger, würde niemand es tun. Nehmen wir an, daß nicht alle Kunden gleich sind; einige wissen, daß die Kassiererin an der Kasse drei doppelt so schnell ist wie die anderen. Diese Experten stellen sich an Kasse drei an. Schlange drei ist jetzt länger als die anderen Schlangen - aber noch immer schneller. Nichtexperten meiden Schlange drei, bis sie auf die Länge der übrigen Schlangen zusammengeschmolzen ist. Die Experten (und einige Nichtexperten, die mit Schlange drei Glück gehabt haben) kommen doppelt so schnell aus dem Geschäft wie alle anderen. Das spricht sich herum; die Zahl der Experten wächst. Schließlich gibt es genug von ihnen, um die Schlange zu füllen. Je zahlreicher sie werden, desto länger wird Schlange drei. Wenn es genug Experten gibt, um Schlange drei doppelt so lang wie die anderen Schlangen zu machen, läßt sich kein Gewinn mehr daraus ziehen, Experte zu sein, und die Schlange hört auf zu wachsen. Eine weitere, indirekte Annahme in meinem Beispiel ist, daß Kunden ein Interesse daran haben, den Laden so schnell wie möglich zu verlassen. Nehmen wir an, das Lebensmittelgeschäft liegt in einer Wohngegend wie Westwood, L. A., wo viele berufstätige Singles wohnen, und wird zum heimlichen Kontaktzentrum des Viertels: Die Leute kommen, um in langen Schlangen zu stehen, Klatsch und Tratsch mit ihren Freunden und über sie auszutauschen, und neue Beziehungen zu knüpfen. Da sie nicht so schnell wie möglich herauskommen wollen, versuchen sie auch nicht, sich an der kürzesten Schlange anzustellen, also bricht der gesamte Gedankengang zusammen.
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