Heilende Kunst
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Die 90er Jahre als „decade of the brain“ haben durch die Integration von Neurobiologie, Neurophysiologie und Neurspsychologie ein umfassenderes Bild von Psychosen und ihren Behandlungsmöglichkeiten eröffnet. Dennoch bleibt die Lebensqualität von psychosekranken Menschen, insbesondere wenn sie unter chronisch auftretenden Symptomen leiden, weit hinter der der übrigen Bevölkerung zurück. Der Einsatz von künstlerischen Mitteln, auch unter der professionellen Anleitung von Künstlern, scheint hier besondere Möglichkeiten für lebendige soziale Lernprozesse zu bieten. Vor allem der Einbezug positiver Emotionen in einem therapeutischen Übergangsraum zur Kunst hin kann für die Erkrankten zum Schlüssel werden, um Interesse und Lust an sozialen Lernerfahrungen zu wecken. Der gemeindenahe psychiatrische Ansatz in Krakau (Polen) kann hier auf fast zwei Jahrzehnte lebendiger Kooperation zwischen Künstlern, Therapeuten und psychotisch erkrankten Menschen zurück blicken. In diesem Buch werden zunächst einige theoretische Grundlagen der modernen Schizophrenietheorie auf der Suche nach einem sie verbindenden übergeordneten Konzept i. S. einer „Metatheorie“ dargelegt. Im zweiten Teil wird eine theoretische Überleitung zur künstlerischen Therapie i. S einer „Metatherapie“ für die „Metastörung“ Schizophrenie versucht; diese zeichnet sich eben nicht durch einen einzelnen umschriebenen Systemdefekt, sondern durch die von Andreasen, N., et al. (1998) dargelegte Störung in der Integration verschiedener Bewusstseinsleistungen aus. Der Autor geht anschließend der Frage nach, ob künstlerische Therapie in diesem Zusammenhang eine besondere Hilfe anbieten, die Vernetzung verschiedener Hirnleistungen, welche in der Psychose gestört erscheint, wieder therapeutisch anzustreben. Diese Hypothese wird in einer explorativen Pilotstudie anhand von künstlerischen Werkstätten (Musik, Bewegung, Malerei) sowie mit Hilfe der schon lange in Krakau etablierten Dramatherapie empirisch evaluiert. Hierzu wurden neben etablierten klinischen Messinstrumenten zur Outcomemessung (GAS und Basissymptome) auch Instrumente eingeführt, die spezifische künstlerische Veränderungen abbilden sollten. Im Gegenvergleich zwischen klinischen Veränderungen und künstlerischen Veränderungen konnte insbesondere die Dramatherapie, welche von der Krakauer Arbeitsgruppe A. Bielanska (Psychologin), A. Cechnicki (Psychiater) und den Künstlern K. Rogosz und M. Bundzewicz schon seit Jahren für die Psychosenbehandlung spezifisch weiter entwickelt und evaluiert wird (s. Bielanska, A., 2002, Bielanska, A., et al. 1991), als besonders hilfreich und effektiv für den therapeutischen Veränderungsprozess nachgewiesen werden. Sich daraus ergebende Implikationen für ein individualisiertes „Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungsmodell“ (R. P. Liberman et al. 1990), in dem das Subjekt über das Erzählen der Theatergeschichte wieder Zugang zu seine Lebensgeschichte finden kann, werden abschließend dargestellt.