Das gute Leben und die Sinnlichkeit des Fremden
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In diesem Buch wird in Auseinandersetzung mit den beiden philosophischen Hauptwerken von Emmanuel Levinas - Totalite et infini und Autrement quetre ou au-dela de lessence - die These entfaltet, dass die sinnlich-leibliche Beziehung zum anderen Menschen als Fremden die Möglichkeitsbedingung für das gute Leben des Subjekts darstellt. Der andere Mensch ist primär derjenige, der mich mein gutes Leben leben lässt und mir darüberhinaus Möglichkeiten eröffnet, die gerade meine eigenen Wünsche und Fähigkeiten übersteigen. Ein Teil der zeitgenössischen Philosophie hat die Frage nach dem guten Leben wiederentdeckt. Stellvertretend für die beiden zentralen Diskussionsstränge in diesen Debatten werden eingangs Peter Stemmers Version eines reflektierten Subjektivismus und Martha Nussbaums capability approach vorgestellt. Es zeigt sich, dass in beiden Ansätzen die Perspektive allzu stark auf ein vereinzeltes Subjekt eingeengt bleibt: Als Maßstab für ein gelungenes Leben gilt entweder die Erfüllung der je subjektiven Wünsche oder die Möglichkeit, anthropologisch begründete Fähigkeiten zu realisieren. Im Kontrast dazu wird im Hauptteil des Buches die Sinnlichkeit des Fremden als eine erweiterte Konzeption entwickelt, in der das Geschehen der Intersubjektivität eine konstitutive Bedeutung für die Frage nach dem guten Leben erhält. Sie ergibt sich aus einer eigenständigen - nicht moralphilosophisch eingeschränkten - Lesart der Philosophie von Levinas als eine Philosophie der Sinnlichkeit. Deren Voraussetzungen - die phänomenologische Intersubjektivitätstheorie Edmund Husserls und ihre Überschreitung durch Levinas - werden in einem eigenen Kapitel referiert. Der Hauptteil zeigt, dass der Genuss und die Verwundbarkeit als die beiden fundamentalen Gestalten der menschlichen Sinnlichkeit ethisch bedeutsame Beziehungen zu einem neutralen und zu einem personalen Fremden konstituieren. Die Explikation des Genusses lässt den diskreten Rückzug des Anderen und das eigene Glück als Bedingungen einer jeden Ethik und Moral hervortreten und reserviert dadurch dem Glück einen ausgezeichneten Platz in der philosophischen Ethik. Die Explikation der Verwundbarkeit verweist auf die ausgezeichnete menschliche Möglichkeit, das gute Leben des anderen Menschen als Fremden begehren zu können, selbst wenn das eigene Glück dadurch beeinträchtigt oder gar gefährdet ist. Das Buch schließt mit einem exemplarischen Ausblick - Gastfreundschaft und Migration - auf das mögliche Potential der praktisch-politischen Anwendungsmöglichkeiten seiner Thesen.