Zwischen Kultur- und Sozialphilosophie
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Wilhelm Dilthey entwirft seine Theorie der Geisteswissenschaften nicht zuletzt, um die entstehende Soziologie einzudämmen. Dennoch werden seine Ideen nicht nur hermeneutisch, sondern – u. a. von Simmel, Max Weber, Mannheim, G. H. Mead – auch soziologisch weiterentwickelt. Ein Fächer von Anschlüssen entsteht. Auf welche Weise versucht Dilthey, noch einmal zusammenspannen, was in Gesellschaft und Wissenschaft auseinanderdriftet? Seine Sozial- als Kulturtheorie erschließt sich über die Anschlüsse an seine Lehrer Ranke und Trendelenburg. Entscheidend aber ist der Rückgriff auf Schleiermachers kulturphilosophische „Ethik“, die selbst bereits, mehr noch als die Hermeneutik, eine „Logik der Geisteswissenschaften“ darstellt. Die Spannung zwischen Freiheit der Kultur und Machiavellismus der Politik in der ab 1870 verspätet, dann aber rapide aufbrechenden deutschen Gesellschaft prägt auch Diltheys berühmte literaturgeschichtliche und komparatistische Studien: Der deutschen „Kunstperiode“ wird der englische Gesellschaftsroman entgegengehalten, Ranke mit der Zivilisationsgeschichte Macaulays kontrastiert. Nachdem die neuere Forschung die Konturen von Diltheys systematischem Denken neu konstruiert hat, liest diese Arbeit mit zugleich wirkungsgeschichtlichem und wissenssoziologischen Ansatz diese Systematik wiederum als transitorisch – um so die Voraussetzungen für vorsichtige Aktualisierungen zu schaffen.