Worte aus einer zerstörten Welt
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Der hebräische Begriff Amidah (standhalten, sich entgegen stellen) umfasst eine Spannbreite jüdischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus: kulturelle, religiöse oder politische Aktivitäten, die die Moral und den Lebensmut stärken, ebenso wie bewaffnete Aktionen. Gudrun Schroeter rekonstruiert in diesem Buch vielfältige Formen von Amidah im Ghetto von Wilna, wie sie sich in Tagebüchern, Gedichten und Texten aus dem Ghetto und in Memoiren spiegeln, und verschränkt diese mit der Geschichte des Ghettos, seiner fortschreitenden Zerstörung und der Vernichtung seiner Menschen. Um die bittere Realität des Ghettos, aber auch die Vergangenheiten, Wünsche und Zukunftspläne der Menschen im Ghetto auferstehen zu lassen, stellt sie bewusst deren Perspektive ins Zentrum. „Meine Chronik muss sehen, muss hören und muss ein Spiegel werden – das Gewissen der großen Katastrophe und der harten Zeit“, schrieb Herman Kruk, der Chronist des Ghettos, einen Tag nach der BeSetzung Wilnas durch die deutsche Wehrmacht im Juni 1941. Fünf Monate später hatten die Deutschen und ihre litauischen Kollaborateure zwei Drittel der Juden in Wilna ermordet. Die Untersuchung verdeutlicht, dass eine Literaturgeschichte der Shoah vor der paradoxen Herausforderung steht, eine Geschichte des Zeugnisses und eine Geschichte des Schweigens zu schreiben.