Geomorphologische Untersuchungen im Land der tausend Hügel - oder: wie europäisch ist die rwandische Landschaftsentwicklung?
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Um Informationen über die spätpleistozäne und holozäne Entwicklung der reliefgestaltenden Prozesse im rwandischen Zentralen Hügelland zu erhalten, wurden in mehreren Tälern der Region von Butare geomorphologische Untersuchungen durchgeführt. Die Ergebnisse wurden mit Befunden zahlreicher anderer Disziplinen (Paläoklimatologie, Paläobotanik, Archäologie, Linguistik, Ethnologie usw.) kombiniert, mit dem Ziel ein Modell der Entwicklung des Zentralen Hügellandes zu konstruieren. Als theoretische Grundlage wurde das Konzept der Landschaft gewählt und entsprechend dem interdisziplinären und interkulturellen Rahmen der Untersuchungen operationalisiert. Dank dieser den monodisziplinären Ansätzen gegenüber ‚verrückten’ Betrachtungsweise konnten die bei der Beschreibung der rwandischen Landschaften verwendeten Begriffe, Theorien und Modelle als perspektivisch erkannt werden. Zudem wurde offensichtlich, dass der Paradigmenwechsel weg von einem natürlichen hin zu einem historischen Verständnis der afrikanischen Landschaften noch längst nicht vollendet ist. Vor diesem Hintergrund konnten die zahlreichen Informationen über die natürlichen und kultürlichen landschaftsgestaltenden Prozesse bewusster gedeutet werden, was dem konstruierten Modell seine Andersartigkeit verleiht. Das entwickelte Modell unterscheidet zwei große Phasen der Landschaftsentwicklung: eine erste ohne nachhaltigen menschlichen Einfluss auf die landschaftsgestaltenden Prozesse (‚Paläolandschaft’) und eine zweite, in der diese Prozesse durch den anthropogenen Einfluss nachhaltig geprägt sind (‚Landschaft’). Es konnte gezeigt werden, dass im afrikanischen Kontext das Prinzip des Aktualismus zum Unterschätzen der paläoklimatischen, paläobotanischen und gesellschaftlichen Geschichte führt. Dies erklärt einerseits, warum zahlreiche Modelle die landschaftsgestaltenden Prozesse zeitlich kaum differenzieren, und andererseits, weshalb bei der Rekonstruktion vergangener Prozessgefüge die heute so ausgeprägte Bodenerosion auf Kosten der subkutanen und denudativen Prozesse überschätzt wird. Die theoretischen Erkenntnisse konnten anhand der durchgeführten geomorphologischen Untersuchungen empirisch untermauert werden. Die historischen Talfüllungen dokumentieren die über dreitausendjährige Geschichte des gesellschaftlichen Einflusses auf die Landschaften des Zentralen Hügellandes. Die sandigen Sedimente des intraholozänen ökologischen Bruchs bestätigen eine Reliefentwicklung unter einem deutlich kälteren und trockeneren Klima als heute. Seitentalbildungen weisen das holozäne Optimum als eine Zeit bedeutender subterraner Kriech- und Fließprozesse aus und die mächtigen pleistozänen Talfüllungen belegen, dass auch im ostafrikanischen Hochland die Waldlandschaften sich im letztglazialen Maximum bis auf wenige Refugien zurückzogen.