"Orientalische Sinnlichkeit" und ornamentale Abstraktion
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Spätestens seit 1001 Nacht beschäftigt der Orient die westliche Imagination. Die vielfachen Begegnungen zwischen Orient und Okzident führten zu einer Stereotypenbildung, die ihren Höhepunkt zur Hochzeit des europäischen Kolonialismus im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert erreichte. In der Populär- wie in der Hochkultur dieser Zeit werden unablässig orientalische Klischees produziert und das Ornament – eine zentrale Ausdrucksform islamischer Kulturen – gerät zur wichtigen Inspirationsquelle für europäische Künstler. Welche orientalischen Stereotype finden sich in der Belletristik der Jahrhundertwende von 1900? Und inwiefern hatte die Beschäftigung mit dem Orient einen Einfluss auf die Ausbildung einer literarischen Moderne? Diesen Fragen geht Anna Fichert an Hand von drei Texten nach: Gustave Flauberts Roman ‚Salammbô‘, Hugo von Hofmannsthals ‚Das Märchen der 672. Nacht‘ und Else Lasker-Schülers Erzählband ‚Die Nächte der Tino von Bagdad‘. Die Autorin zeigt, dass die genannten Texte am Orientdiskurs ihrer Zeit partizipieren und ihn doch zugleich unterlaufen. Der Unbeweglichkeit und Starre der stereotypen Orientalismen steht die Vielgestaltigkeit und Beweglichkeit der Ornamentform entgegen. Das Ornament, so zeigt sich, birgt als Ausdruck einer autonomen, antimimetischen Kunst gerade durch seine Eigengesetzlichkeit kritisches Potenzial in sich.