Gehirn und menschliches Bewusstsein
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Aus kaum einem anderen Gebiet scheinen heute schärfere Angriffe auf humanistisch geprägte Menschenbilder zu erfolgen, als aus der Hirnforschung. Ihren Wortführern gemäß soll unser personales Bewusstsein auf neuronalen Prozessen beruhen, deren vermutete Urheberschaft sich im Laufe der biologischen Evolution entwickelt habe. Mit beachtlichem Messaufwand und komplexen Theorien wird diese Annahme zu stützen versucht. Müssen wir also Abschied nehmen von dem Vermeinen, unser bewusstes Seelenleben bringe in sich selbst gegründete Identität und authentische Realität zum Ausdruck? Angesichts der Frage nach einem gesamtwissenschaftlich fundierten Menschenbild entfaltet der Autor die Gehirn-Bewusstsein-Problematik anhand von neurobiologischen Befunden und Hypothesen, philosophischen Positionen, psychologischen und phänomenologischen Ansätzen. Parallel dazu wird die Verflechtung des anthropologischen Problems mit der paradigmatischen Krise zwischen Natur- und Geisteswissenschaften thematisiert. Im ersten Teil werden getrennte Analysen des physischen und des mentalen Gegenstandsbereichs durchgeführt, um deren unhinterfragte Vermischung und Verkürzung zu vermeiden. Insoweit dieser Gefahr in bisherigen Konzepten nicht angemessen begegnet wurde, werden die aporetischen Konsequenzen gekennzeichnet. Die getrennten Untersuchungsgänge führen schließlich zu Charakterskizzen der Gegenstandsbereiche, aus deren Gegenüberstellung sich eine dialogische Reformulierung des Gehirn-Bewusstsein-Problems ergibt. Im zweiten Teil wird ausgehend von der Feststellung verwandter wie auch entgegengesetzter funktionaler Merkmale von Gehirn und Bewusstsein die Lösungsperspektive der Strukturphänomenologie Herbert Witzenmanns eröffnet. Durch eine auf den mentalen Gegenstandsbereich bezogene Revision naturwissenschaftlicher Methodik vermag die Strukturphänomenologie neue Übergänge zu schaffen: Erstens von einer fragmentarischen Paradigmatik zu einer methodologischen Einheitlichkeit und damit allgemeinwissenschaftlichen Vermittlungsfähigkeit; zweitens von der anthropologischen Dichotomie zu einer physiologische und bewusstseinsphänomenologische Befunde integrierenden, trichotomisch-monistischen Konstituierung des Menschen. Das Menschenbild der Strukturphänomenologie hat bereits eine Relevanz in verschiedenen Bereichen unserer Kultur und Lebenswelt und kann diese zukünftig noch weiter entfalten. Insbesondere mit einem Ausblick auf mögliche transdisziplinäre Projekte wird zur Bildung einer integrativen Bewusstseins- und Strukturwissenschaft angeregt.