Der Schwärmer auf der Bühne
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In Goethes erstem Weimarer Jahrzehnt stehen Schwärmer auf der Bühne – sei es im Romanfragment Wilhelm Meisters theatralische Sendung, wo der Held eine Theaterkarriere anstrebt, oder sei es in den Dramen Lila und Triumph der Empfindsamkeit, wo zwei Heldinnen ihre Stimme gegen eine prosaische Umwelt erheben. Ihre eigenwillige Sprechweise, ihre erhöhte Einbildungskraft und die soziale Ausgrenzung, unter der sie leiden, verbinden diese drei Figuren mit einer dreihundertjährigen, von Luther begründeten Tradition von Schwärmerdarstellungen. So sehr Schwärmerei im Werk Goethes konsequent als Bedrohung und Gefahr sowohl für das Individuum als auch für die Gesellschaft geschildert wird, ist mit ihr eine partikulare Fähigkeit des Menschen angesprochen, die auch seine ästhetisch wertvollsten Produkte bedingt. In den Werken dieser Periode erkundet der verlegene Autor des Werther neue Wege, um der Schwärmerei seiner Helden mit einer Poetologie der Distanzierung beizukommen. Mit Illusionsstörung, multiperspektivischer Darstellung, unzuverlässigem Erzählen, Genre-Heterogenität und der Inszenierung des Protagonisten als ›Fall‹ begegnet dem Publikum eine Poetologie, die weder mit der Ästhetik des vorangehenden Sturm und Drang noch mit den Vorgaben der nachfolgenden Klassik in Übereinstimmung zu bringen ist. Es gilt – wieder einmal – einen neuen Goethe zu entdecken.