Zum Wandel des Stillverhaltens in der BRD zwischen 1950 und 1990
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Muttermilch gilt als ideale Ernährung des Säuglings, denn das Stillen berge zahlreiche gesundheitliche Vorteile für Mutter und Kind und fördere zugleich eine erfolgreiche Mutter-Kind-Bindung. UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation propagieren daher das ausschließliche Stillen in den ersten sechs Lebensmonaten. Das tatsächliche Stillverhalten kommt diesen Forderungen jedoch bei weitem nicht nach: den Ergebnissen eines repräsentativen Kinder- und Jugendgesundheitssurveys zufolge lag die Sechs-Monatsstillrate zwischen 1986 und 2005 in Deutschland lediglich bei 22,4%. Am Institut für Geschichte der Medizin in Düsseldorf wird im Rahmen eines Oral History-Projektes erstmals die langfristige Entwicklung des Stillverhaltens in der Zeit von 1950 bis 1990 erfasst. Anhand von retrospektiven Kohortenstudien mit mehreren hundert Teilnehmerinnen werden das Stillverhalten, sein Wandel sowie mögliche Einflussfaktoren untersucht und eine prognostische Einschätzung stillfördernder Maßnahmen vorgenommen. Die Einbeziehung verschiedener Epochen hilft dabei, Auswirkungen wissenschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Veränderungen quantifizieren zu können. Luisa Heininger wertet in diesem Rahmen in ihrer Dissertation die Stilldauer, die Gründe für ein Abstillen sowie Einflussfaktoren auf die Ernährungsentscheidung der Mütter aus. Ihre Ergebnisse stützen sich auf die Befragung von 100 Müttern ohne akademische Laufbahn, die ihre Kinder zwischen 1950 und 1990 bekommen und in der BRD gelebt haben. Dabei zeigt sich, dass die Wahl der Säuglingsernährung heute wie damals durch multiple soziokulturelle Umstände geprägt wird und somit weit über die nutritiven Aspekte hinausgeht.