Robert Michel
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Robert Michel (1876–1957) gilt als ein noch zu entdeckender Autor der Wiener Moderne. Seine Arbeiten stehen zwischen Halbmond und Doppeladler, weil sie das Zeichen seiner Begegnung mit dem reichen osmanisch-muslimischen Kulturerbe Bosnien-Herzegowinas tragen, wohin der junge Autor 1898 als Offizier war versetzt wurde. Unter dem guten Stern seiner Freunde Leopold von Andrian und Hugo von Hofmannsthal entstanden, bieten seine frühere Erzählungen alles andere als manieriert orientalisches Ornament. Denn so dürr und kahl der herzegowinische Karst, so schlicht und trocken ist auch Michels Sprache. In deren Rauheit nimmt eine Landschaft Gestalt an, die bei allen Figuren eine unwiderstehliche und tragische Erotik auslöst, der insbesondere der Protagonist erliegt: der aus Österreich kommende Offizier, der zum Inbild des modernen, pathologisch gespaltenen Subjekts stilisiert wird. Michels weitere Produktion umfasst Romane, mit Fotografien versehene Landschaftsbücher, Reiseberichte, Filme, Opernlibretti und zeichnet sich daher durch ihre Intermedialität aus. Diese Werke spiegeln den »halbkolonialen« politischen Kontext wider, in dem sie entstanden sind, aber sollen auch als ein dem slawisch-deutschen Zusammenleben in Österreich-Ungarn gezollter Tribut gelesen werden. Aus diesem Grund ist es für den Schriftsteller Michel besonders unrühmlich, dass er in Zeiten des Nationalsozialismus seine Poetik in den Dienst der nazideutschen Balkanpolitik stellte, um sich dann nach 1945 wieder als Herold der alt-österreichischen Idee von Völkerverständigung hinzustellen. Viele wichtige literarische und kulturelle Tendenzen seiner Epoche überkreuzen sich in Michels Schaffen. Daher verdienen sein Leben und Werk eine angemessene Würdigung, wie sie das vorliegende Buch zu geben versucht.