Pseudodoxia postorientalis
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Ausgangspunkt der hier vorgelegten Erkundungen ist ein 2013 erschienenes Buch von Perry Myers (German Visions of India, 1871–1918) über die Wilhelminische Indienrezeption als „Resonanzboden“ eines von Kolonialismus, ‚Germanozentrismus‘, Ariertum, Antisemitismus und anderen Ideologien geprägten Bemühens um die Erneuerung der nationalen, gesellschaftlichen und religiösen Identität. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß Myers’ Thesen weniger aus seinen Quellen entwickelt oder durch sie begründet als vielmehr auf zuweilen fragwürdige Weise in sie hineinprojiziert sind. Das theoretische Gerüst für sein Konstrukt lieferte ihm vor allem der nunmehr über dreißig Jahre währende amerikanische Diskurs über ‚German Orientalism‘, hier insbesondere Suzanne Marchands German Orientalism in the Age of Empire (2009), weshalb auch ihre Thesen zur Wilhelminischen Indienrezeption erkundet und den zu ihrer Begründung angeführten Quellen kritisch gegenübergestellt werden. Ziel dieser Erkundungen ist nicht, die Thesen Myers’ und Marchands in allen Einzelheiten zu widerlegen, wie man wegen der Anspielung des Titels auf Thomas Brownes Pseudodoxia epidemica (1646) vermuten könnte. Vielmehr sollen an ihrem Beispiel die Argumentationsmuster und Konstruktionsstrategien herausgearbeitet werden, die zum festen Repertoire solcher Diskurse über vermeintlich problematische Aspekte der deutschen Indienrezeption gehören (wie vom Verfasser bereits 2012 in Band 5 dieser Reihe an ähnlichem Material gezeigt).