Wandlungen im Verständnis der Vertragsfreiheit
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Der Schutz des schwächeren Vertragspartners stellt eine der wichtigsten Aufgaben der Rechtsordnung dar. Ausgangspunkt der Untersuchung der zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumentarien bildet das Verständnis der Vertragsfreiheit. Gingen die Verfasser des BGB noch von einer formalen Auffassung aus, so begann bereits kurz nach Inkrafttreten desselben eine stetige Veränderung hin zu einem materiellen Verständnis. Erkennbar wird diese Entwicklung anhand der Vielzahl von zwingenden Schutzgesetzen zugunsten des schwächeren Vertragsteils sowie in der Praktizierung einer richterlichen Inhaltskontrolle. Ein Höhepunkt ist die sogenannte Bürgschaftsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Hier ordnete das Gericht eine Abschlußkontrolle insbesondere für Bürgschaftsverträge an, bei denen eine ungewöhnliche Belastung des Bürgen vorliegt und er sich bei Vertragsschluß in einer emotionalen Zwangslage befand. Die Entscheidung verdeutlicht insbesondere die verfassungsrechtliche Verankerung der Vertragsfreiheit in der Wertordnung des Grundgesetzes. Danach besteht ein verfassungsrechtlicher Auftrag an die hoheitlichen Organe, Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, um die jedermann zustehende Vertragsfreiheit in der Praxis zu realisieren. Auch der europäische Gesetzgeber hat einen wesentlichen Einfluß auf die Privatautonomie genommen, der aber zu einer Gefährdung der nationalen Vertragsfreiheit insbesondere durch einen zu weit reichenden Verbraucherschutz führen kann.