Die Haftung für Emissionen im deutschen und europäischen Recht
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Der Schutz der Umwelt ist infolge der zunehmenden Gefährdung der menschlichen Lebensgrundlagen als dringendes gesellschaftliches Anliegen von existenzieller Wichtigkeit für nachfolgende Generationen erkannt worden und in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses gerückt. Politiker und Rechtswissenschaftler sehen sich in der Verantwortung, der weitestgehend irreversiblen Entwicklung zum einen geeignete Vorschläge und Massnahmen entgegenzusetzen und zum anderen zu klären, wer die immensen Kosten der Restitution oder Kompensation im Einzelfall zu tragen hat. Dabei werden umwelthaftungsrechtliche Probleme nicht ausschliesslich in spektakulären Fällen wie Seveso (1976), Love-Canal (1978), Bhopal (1984), Sandoz (1986), Tschernobyl (1986), Exon-Valdez (1989), Sea-Empress (1996) oder Donana-Nationalpark (1998) aufgeworfen. Fragen der Haftung könnten sich darüber hinaus sowohl bei den Erscheinungen des sog. Waldsterbens, bei Rückgang oder Ausrottung einer Tier- oder Pflanzenart, bei Schädigungen aus Altlasten als auch in eher klassischen Haftungskonstellationen wie etwa Autolackbeschädigungen durch industrielle Staubemissionen oder Gesundheitsbeeinträchtigungen nach Betriebsunfällen stellen. Die in dieser Arbeit diskutierten Problemkreise betreffen - die Thematik insofern eingrenzend - die Haftungsregelungen für Schäden aus produktionsbedingten Emissionen. Haftung für „Umweltschäden“ im Sinne dieser Arbeit meint damit neben der Haftung des Produzenten für fehlerhafte und schadensstiftende Produkte nach dem Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (im folgenden: ProdHG) einen wichtigen Unterfall der Produktionshaftung. Der Begriff der Produktionshaftung ist dabei kein Rechtsbegriff; er dient vielmehr dazu, die speziellen Haftungsprobleme von Anlageninhabern, also von natürlichen oder juristischen Personen, die sich einer technischen Einrichtung für einen nicht nur unerheblichen Zeitraum zur Verfolgung eines wirtschaftlichen Zweckes bedienen, zu beschreiben und einzugrenzen. Diese Perspektive bietet sich insbesondere auch an, da im neueren Schrifttum Meinungen zu finden sind, die ein Sonderhaftungsrecht für Unternehmen prüfen. Eine Einstandspflicht für „Umweltschäden“ kann die Unternehmen sowohl als Haftung für Schädigungen Dritter aus dem genehmigten Normalbetrieb als auch als Haftung für Schädigungen aus genehmigungswidrigem Betrieb wie beispielsweise nach Störfällen oder Abgabe von Schadstoffen in einer die Genehmigung überschreitenden Menge sowie als Haftung für umweltschädigende Produkte treffen. Insbesondere aus dem genehmigten Betrieb können haftungsrechtlich nur bedingt erfassbare Allmählichkeitsschäden, d. h. Schäden, die durch allmähliche Einwirkung von Temperatur, Gasen, Dämpfen, Strahlungen oder Lärm auf Personen oder Sachen bedingt sind, enstehen. Unberücksichtigt bleiben damit in jedem Fall typische Streitigkeiten aus bürgerlichen Nachbarschaftsverhältnissen wie Lärmimmissionen von Tennisplätzen, Geruchsbelästigungen oder Froschteichgequake.