Die Nacht im Mittelalter
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Aus dem Buch: „Die Nacht ist wahrlich nicht nur ein Naturphänomen, ein Abschnitt der natürlichen Zeit, sondern ein vieldeutiges Symbol und eine Komponente der Phantasiewelt des Menschen. Das Mittelalter hat eine ungewöhnliche vielschichtige Einstellung zur Nacht: wie zu einem zweifellos problematischen und den normalen Lauf des Lebens erschwerenden Phänomen, aber auch wie zu einem Urquell des unausrottbaren Aberglaubens und unabdingbarer Ängste eines hochgradig magischen Bewusstseins. Für einen Forscher ist es schwer zu entscheiden, was an diesem komplexen Thema – das Reale oder das Eingebildete – einen besseren Zugang zu seinem wahren Inhalt sichern kann.“ Damit die Analyse höchstmöglich das authentischen Erleben der Nacht im Mittelalter nachzeichnen kann, ist die Nutzung zahlreicher und unterschiedlichster Quellen (theologische, philosophische Traktate, astronomische und medizinische Aufsätze, die Viten- und die visionäre Literatur, Abenteuerromane, religiöse und weltliche Dichtung, juristischische Dokumente, Statuten der Zünfte, königliche Protokolle, Gerichtsakten und Regeln der Mönchsorden etc.) erforderlich. „Die Nacht ist mit dem Tod verwandt. Sie stiehlt uns buchstäblich unser halbes Leben, indem sie uns zwingt, diese Zeit schlafend zu verbringen. Aber sie ist auch , substantiell‘ der Topos des Todes, denn was anderes ist der Tod, wenn nicht das absolute Nichtsehen und Nichtunterscheiden, die völlige Unbeweglichkeit und Undurchsichtigkeit? In ihrem dunkelsten und tiefsten Teil berührt die Nacht das bedingungslose Nichtsein, die Zeitlosigkeit selbst, die ja auch der Tod ist. Anscheinend ist die Nacht gerade deshalb für die Toten bestimmt, so wie der Tag wiederum den Lebenden gehört. Jede nächtliche Arbeit ist nicht nur sinnlos, sondern auch eine tödliche Gefahr. Die Schnitter, die sich verspätet haben, hören den bedrohlichen Ruf, der sie erinnern soll, und irgendwo aus der undurchsichtigen Fin-sternis kommt: Dar Tog isch dein, die Nacht isch mein.