Nachtdienst
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Das letzte Wegstück legte ich zu Fuß zurück, über die Brücke und entlang am schmiedeeisernen Zaun, der den Garten des ersten Mietshauses auf der linken Straßenseite umgibt, ich sehe zu den Fenstern im ersten Stock hinauf wie früher, alles wirkt schmal und klein, viel kleiner als in meiner Erinnerung, es riecht anders in den Gängen, nur im Keller nicht, wo es mich als erstes hinzieht, ein gestampfter Erdkeller mit Holzlattenwänden zwischen den einzelnen Abteilen. Eine junge Frau kehrt zurück in die Wohnung ihres Vaters. Noch stehen Flaschen herum, jede Menge Flaschen, noch sind die vertrockneten Brotreste und die leeren Konservenbüchsen nicht weggeräumt - die Hinterlassenschaften eines alten Manns. Doch bald wird die Wohnung leer und wieder vermietet sein. In der Erinnerung beginnt sich die Vergangenheit neu zu ordnen. Wie liebevoll und gesprächig konnte der Vater sein, wenn er mit der ganzen Familie verreiste. Und sie, die Tochter, wie sehr genoß sie es, wenn sie mit ihm zur Schwarzarbeit unterwegs war, dann mußte sie ihn mit niemandem teilen. Doch der Vater kam immer weniger mit seinem Leben zurecht und begann zu trinken. Dagegen war auch seine Frau machtlos, die wahrlich ihre eigenen Ansichten hatte. Sie galt mit ihren selbstgeschneiderten Kleidern - warum trägt sie nicht wie die anderen Frauen auch karierte Schürzen! - als eigensinnig und wäre am liebsten in den ersten Tagen davongelaufen aus dieser Ehe, aus diesem Ort. In langen, weit ausschwingenden Sätzen beschwört Melitta Breznik noch einmal die Kindheit, die Stimmungen und Empfindungen in einer Familie, in deren Enge jeder um ein bißchen Luft zum Atmen kämpfte. Nachtdienst ist ihr erstes Buch, und mit dieser Erzählung ist ihr etwas ganz besonderes gelungen: ein eindringliches Abschiedsbuch. So zart und eindrücklich hat schon lange niemand mehr Lebewohl gesagt.
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