Poésie berbère de Figuig (anciennes et modernes)
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Populäre und simplistische wissenschaftliche Diskurse sprechen der Oasenstadt Figuig vielfach ab, Poesie hervorgebracht zu haben. Als Begründung werden etwa die klimatischen und ökonomischen Bedingungen der Region herangezogen, oder aber historische Ereignisse wie etwa der Kolonialkrieg, die als Hemmnis für das Entstehen von Poesie betrachtet werden. Als ob einzig derjenige, der ein Leben im Überfluss führt, fähig sei, Poesie zu schaffen, so bemerkt der Autor des vorliegenden Bandes hierzu und demonstriert mit seiner Sammlung das Gegenteil. Es genügt ihm zufolge, in Erinnerungen zu stöbern und das alltägliche Verhalten der Menschen zu hinterfragen, um die Präsenz, oder gar die Omnipräsenz von Poesie festzustellen – auch und gerade dort, wo Sorgen und Kummer zum Alltag gehören. In Ergänzung zu Band 34 der Reihe „Berber Studies“, der 51 Amazigh-Erzählungen der Figuig-Region enthält, widmet sich Hassane Benamara in diesem Buch den diversen Gattungen der Poesie dieses Oasenortes im äußersten Südosten Marokkos. Das ursprüngliche Ziel, sich auf die moderne Figuig-Poesie zu beschränken und eine Anthologie hierüber vorzulegen, wurde in Anbetracht der Tatsache, dass auch das historische Dichtgut der Region nahezu undokumentiert ist, um das Vorhaben ergänzt, auch dieses zu erfassen, bevor es – etwa im Zuge des Einflusses von neuen Kommunikationsmitteln, allgemeiner Schulbildung und massiver Emigration – in Vergessenheit gerät. Der erste Teil des vorliegenden Werkes besteht daher aus dem von Benamara mithilfe zahlreicher Informanten zusammengetragenen Korpus historischer Gedichte; der zweite enthält solche zeitgenössischer Poeten. Während bezüglich der historischen Poesie der Versuch unternommen wird, die ihr zugrundeliegenden Regeln, ihre Funktion und weitere Charakteristika, wie etwa die Kontexte ihrer Produktion, zu ergründen und eine Typologie der dichterischen Werke zu erstellen, enthält sich Benamara im zweiten Teil der Sammlung einer Analyse, indem er lediglich die Gedichte der modernen Berber-Poeten sowie deren Übersetzungen ins Französische präsentiert und weitere Interpretationen der interessierten Leserschaft überlässt. Auch wenn das von Benamara veröffentlichte Korpus – wie er selbst einwendet – lediglich die Spitze des Eisberges der Figuig-Dichtkunst darstellt, leistet er damit einen unschätzbaren Beitrag zur Dokumentation und zum Erhalt dieses kaum beachteten Bereichs der Berber-Oralliteratur. Vom selben Autor erschien bei uns: „Contes berbères de Figuig (Sud-est marocain) – Textes en berbère avec traductions en français“, ISBN 978-3-89645-934-3.