Bleib stark
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Rosa Gitta Martls Texte kreisen vordergründig um die eigene Familie. Und doch beziehen sie die Welt ein, die gesellschaftlichen Verhältnisse in Vergangenheit und Gegenwart. Das geht auch gar nicht anders, ist die Autorin doch Angehörige einer lange verfolgten Minderheit, der Sinti, die vor über 500 Jahren in Österreich Fuß fassten. Nur ein einziger Sinto, eine eine einzige Sintiza von zehn überlebte hierzulande den Völkermord. Martl lässt ihre ermordeten Großeltern wieder lebendig werden, auch wenn ihr Bild blass bleiben muss, ihre Eltern, die einander als ausgemergelte Überlebende der Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen in den Wirren des Kriegsendes auf der Flucht in einem Wald begegneten. In einer detailreichen und farbigen Erzählung schildert Rosa Gitta Martl unprätentiös ihr eigenes Leben, Freud und Leid, das Festhaltenwollen an Kultur und Sprache der Vorfahren, die anhaltende Diskriminierung durch den Staat nach der Barbarei des Nazi-Regimes. Heimatkunde vom Feinsten ist dieses Buch, aber auch ein wichtiger, nachdenklich machender Beitrag in Zeiten eines neuen alarmierenden Trends, ganze Menschengruppen zynisch auszugrenzen. Die Behörden im neuen Österreich helfen den Sinti und Roma zumeist nicht. Im Gegenteil, sie verhöhnen sie mit Sätzen wie „Es kann doch gar nicht sooo schlimm gewesen sein, den Kopf haben Sie ja noch oben“, „Wo sind Ihre Papiere, der Staatsbürgerschaftsnachweis, der Meldezettel und der Heimatberechtigungsschein, Taufschein, wo die Papiere der Eltern, wo, wo, wo?“ Ein wichtiges Stück lebendig geschilderter, anrührender Heimatkunde, sehr persönlich und zwangsläufig politisch, weil die Machthaber es diesen unseren Landsleuten kaum je gegönnt haben, in Frieden zu leben. Eine erhellende Lektüre in Zeiten des wieder salonfähig gewordenen Inhumanismus. (Ludwig Laher) Rosa Gitta Martl wurde mit dem Roma-Literaturpreis des PEN 2019 ausgezeichnet.