Der Roman „Sonntagskind“ gibt Einblick in das Leben der „einfachen Leute“ im Habsburgischen Böhmen des endenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts. Anhand des Schicksals der ältesten Tochter eines Schusters erfährt man über den Alltag von Frauen und Mädchen, über ihre verhinderte Bildung und Berufstätigkeit, über ihre Abhängigkeit von männlicher Macht und geltendem Gesetz. In Unwissenheit über die politischen Verhältnisse, die ihr Leben bestimmen, heiratet Franziska einen entfernten Verwandten, mit dem zusammen sie eine Bäckerei betreibt. Während des Ersten Weltkriegs werden Mann und Sohn eingezogen. Der Zweite Weltkrieg vertreibt sie aus ihrer Heimat. In einem Gegenentwurf wird der Lebenslauf ihrer Cousine geschildert, die in Wien lebt und von den modernen Errungenschaften der Epoche mehr profitiert als Franziska in der böhmischen Provinz. Im ersten Nachkriegsjahr treffen sich die beiden nunmehr alt gewordenen Frauen und erinnern sich an ihr vergangenes Leben.
Irmgard Hierdeis Books



"Fehlende Aussicht aufs Meer" spielt auf einer Insel in Griechenland, die ganz anders ist, als die Prospekte Ruinen, wohin das Auge schaut, das Meer irgendwo hinter den Hügeln. Anfangs reagiert das griechische Inseldorf mit Feindseligkeit auf die fremde Stipendiatin Mara, die während der Wintermonate allein in einem Haus mitten im Ort wohnt. In der Isolation gewinnen Menschen, die ihr freundlich begegnen, ein ungewohntes Gewicht. Sie trifft im Nachbardorf Kostas, einen Fischer, mit dem sie sich langsam anfreundet. Die Beziehung zu ihm weckt Erinnerungen an die eigene dörfliche Kindheit und an das Leben mit ihrer Großmutter. Gefangen zwischen der Leidenschaft für Kostas und einer alten Liebe, die plötzlich bei ihr auftaucht, gerät Mara in Konflikte, die sie schreibend auflösen will. Sie findet das Tagebuch einer Vorgängerin, in dem sie Teile ihrer eigenen Erfahrungen wiedererkennt. Zunehmend hält das Unheimliche Einzug in ihr tägliches Leben. Und schon bald ist nichts mehr so, wie die Realität es abbildet.
Was bringt einen Gymnasiallehrer unserer Tage dazu, das Denken, Fühlen und die Sprache Goethes zum Maßstab für sein eigenes Leben zu machen? Und was bringt eine Frau dazu, ein solches Leben teilen zu wollen? Dr. Wolfgang Zekkert, der Ministerialverlautbarungen genauso befolgt wie er sich dem Trend der späten 68er anpaßt, eifert dem Olympier auch im täglichen Leben nach und baut Liturgien des Zusammenlebens auf, für deren Durchführung seine Frau zuständig ist. Aus ihrem Blickwinkel erfährt der Leser von der Mühe, die auf eine literarisch fixierte Form des Lebens verwendet werden muß. Aber es geht nicht nur um das tägliche Leben. Vielmehr soll Marie, die Ehefrau, nach und nach all die Frauengestalten repräsentieren, von denen der Goethe-Epigone annimmt, daß sie zu seiner Inspiration und Lebenserfüllung notwendig sind. Dabei entgleitet ihm das Leben, das Marie ‚bescheiden und leise‘ neben ihm und ihm zu Diensten verbringt, völlig. Weder ahnt er etwas von ihrem Liebhaber, noch hat er begriffen, daß sie, während sie ihm seine pedantischen Wünsche erfüllt, darüber phantasiert, ihn umzubringen. Selbst bei banalen Küchenverrichtungen spielen sich innere Dramen bei ihr ab. Es ist ein weiter Weg von Mignon über Charlotte und Christiane, den Marie zurücklegt, bis sie zu sich findet. Diese Geschichte einer asynchronen Beziehung kann nicht glücklich enden. Marie weiß, daß sie aus dem Schatten des Dichters und seines Trabanten treten muß.