Selten hat sich ein zeitgenössischer Autor so freizügig über seine privatesten Empfindungen und seine Arbeit, über seine mehr oder minder berühmten Zeitgenossen und nicht zuletzt über das politische Tagesgeschehen mit so intelligentem Spott geäußert.
Peter Rühmkorf Books






Die Märchen
- 446 pages
- 16 hours of reading
Peter Rühmkorfs Märchen gehören zu den ambitioniertesten Experimenten mit dieser Gattung in der Moderne. Dennoch sind sie gegenüber dem lyrischen und essayistischen Œuvre lange als spielerisches Nebenwerk vernachlässigt und unterschätzt worden. Der vierte Band der Werkausgabe bietet nun Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen. Neben dem kleinen Märchenroman "Auf Wiedersehen in Kenilworth" und den dreizehn Erzählungen des Zyklus "Der Hüter des Misthaufens" werden hier erstmals auch Rühmkorfs unvollendete Entwürfe, seine Notizen, "Ahamomente und Sternschnuppeneinfälle" in einer kommentierten Edition präsentiert. Hier lässt sich der romantisch-ironische Zauber dieser "aufgeklärten Märchen" in all seinen Facetten erleben - ein Vergnügen für Leser und eine literarische Entdeckungsreise nicht nur für Rühmkorf-Fans.
Kollegenbeschimpfungen und Lobreden von Adorno bis Zuckmayer; dazu 32 Zeichnungen von F. W. Bernstein. Peter Rühmkorf, ein neugieriger Leser und Lyriker, beschäftigte sich intensiv mit den literarischen Werken seiner Zeitgenossen und Vorfahren. Er bewunderte rückhaltlos, konnte aber auch scharf kritisieren, warum ein Text nicht bestand. Die versammelten Texte variieren von kurzen Notizen über ironische Beschimpfungen bis hin zu empathischen Lobrede und großen Porträts. Rühmkorfs waches, kritisches Interesse an Dichtern und Dichtung ist konstitutiv für sein Dichterleben und seine eigene Produktion. Die Einzigartigkeit seiner Gedichte zeigt sich auch in diesen Texten, die Witz, souveräne Kenntnis und Leichtigkeit mit einem stets passenden Ton verbinden. Sie dokumentieren ein ganzes Leser- und Dichterleben von den fünfziger Jahren bis kurz vor seinem Tod. Die Ausgabe enthält überwiegend unveröffentlichte Texte aus dem Nachlass sowie an entlegenen Orten publizierte Rezensionen. F. W. Bernsteins leichthändige Dichterporträts fügen dem Kompendium eine bildliche Dimension hinzu. Rühmkorf reflektiert über eine Vielzahl von Autoren, darunter Adorno, Beckett, Brecht, Goethe und Kafka, und bietet so einen umfassenden Einblick in die literarische Landschaft seiner Zeit.
Der Titel knüpft an eine Gedichtzeile aus Peter Rühmkorfs letztem Lyrikband an. Sich bei sich selbst einzuhaken und neu auf die Welt zuzugehen, ist ein zentrales Motiv dieses Dialektikers, das er immer wieder variiert. Seine lyrischen Botschaften sind einfach und berührend, auch wenn sie auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Die bedrohte Einmaligkeit des Einzelwesens ist die Wurzel des menschlichen Zusammengehörigkeitsgefühls, das er seinen „verehrten Mitsterblichen“ mit zauberischer Stimme und lächelndem Einverständnis vermittelt. Seine Selbstgespräche wecken Zweifel und Fragen, die universell sind. Er fordert seine Leser auf, sich mit ihrer eigenen Verunsicherung auseinanderzusetzen, weiß aber auch, dass die verbindende Formel lautet: „Eh einer groß im eigenen Kopf aneckt, soll sagen, was er liebt!“ Rühmkorf ist ein Virtuose und Levitationskünstler, dessen Gedichte und begleitende Werkstattberichte ihn auf schwindelerregenden Höhen zeigen. Komposition und Dramaturgie sind für ihn keine bloßen Begriffe. Er fragt, zweifelt, hofft und experimentiert in seinen Gedichten, stets in der Hoffnung auf einen positiven Schluss. Die drohenden Fragezeichen wandeln sich schließlich in ermunternde Ausrufezeichen: „Vom Einzelnen ins Tausendste!“ „Hör auf dein Herz und an! - ihm vertraue/ Unwiderrufliches, eh es entfällt: Diese vorüberrauschende blaue/einzige Welt!“
Dreizehn deutsche Dichter von Heinrich Heine über Thomas Mann und Bertolt Brecht bis zu Arno Schmidt und Karl Krolow, eine ziemlich bunte Gesellschaft und doch so etwas wie ein magischer Zirkel. Was ihn zusammenhält - außer einem erklärten Faible des Porträtisten für persönliche Neigungen -, ist vor allem Rühmkorfs Blick für die „Körpersprache der Literatur“. Da er es vorzieht, sich seinen Protagonisten kollegial zu nähern, statt den geläufigen Patentaufklebern zu vertrauen, gelingt es ihm, in jene Tiefen der Kunsterscheinung vorzudringen, wo der wahre Wortlaut in Geheimschrift verfaßt ist und die literarische Signatur bedeutungsvoll mit der Lebenslinie korrespondiert. Das Resultat seiner von unterschiedlichen Anlässen bewegten Studien: eine kleine Porträtgalerie bekannter deutscher Dichter, die uns auf einmal wie große Unbekannte ansehen.
Exkurse in den literarischen Untergrund Peter Rühmkorf hat aus seiner Skepsis gegen romantisierende Aufblicke zum Mond und gegen elegische geschmäcklerische Anbetung Blauer Blumen die Konsequenz gezogen und ist den Wahrheiten des vom landläufigen Kulturbetriebes stets ignorierten poetischen Volksvermögens nachgegangen. Hier geht es drastisch zu, hier gelten keine heiligen Güter der Nation und keine approbierten Wertnotierungen der etablierten Konvention. Ungeschminkt und derbdrollig ist hier von der Menschenerzeugung die Rede, und ähnlich unverblühmt werden die landeseigenen Autoritäten besungen. Das Ergebnis seiner Arbeit ist eine umfassende Dokumentation der sonst nur von Mund zu Mund verbreiteten Volks- und Kinderpoesie - vom Abzählvers über den Schulreim bis zum Antischlager und zum subversiven Gruppengesang. Die Vielfalt der deftigen und treffenden Freimütigkeiten präsentiert das Bild einer scheinbar ungewaschenen und unansehnlichen Literaturgattung, die stets zu Majestätsbeleidigung, Denkmalsschändung, Wehrkraftzersetzung, Hosen-, Bett- und Nestbeschmutzung aufgelegt ist - ein Lügendetektor gegen die Kundmachung der Herrschenden und gegen den geübten Wohllaut ihrer Unterhaltungs- und Werbeindustrie.
In gemeinsamer Sache
- 83 pages
- 3 hours of reading
Die beiden beweisen es: Die Lyrik lebt. Nach ihrem legendären, ein- und erstmaligen Auftritt auf der Expo 2000 nun das Buch zum Live-Erlebnis: Robert Gernhardt und Peter Rühmkorf in gemeinsamer Sache: Wortmeisterlich geht es um ostfriesische Romanzen, die Fußball-WM und das Ende einer Fliege, also, um Liebe und Tod, Natur und Kunst. Mit einem Schmunzeln.
"Ein plebejischer Poet ist er, ein handfester Spaßmacher, ein Repräsentant und Verwalter des literarischen Untergrundes, ein Dichter der Gasse und der Masse, einer, der die Lyrik auf den Markt gebracht hat. Nur: Er ist zugleich ein feinsinniger Ästhet, ein raffinierter Schöngeist, ein exquisiter Ironiker. Dem Widerspruch gilt Rühmkorfs Leidenschaft, der Widerspruch ist sein eigentliches Element, die Antinomie ist die Wurzel und der Grundzug seines Dichtens" (Marcel Reich-Ranicki).