Vom Digestenfragment D. 48.19.18 angeregt widmet sich die Arbeit vor allem zwei Problemfeldern: der Bearbeitung des im Corpus iuris civilis überlieferten Strafrechts durch die Glossatoren und der Genese der Glossa ordinaria des Accursius. Den Glossatoren war D. 48.19.18 im Zusammenhang mit einer der Grundfragen des Strafrechts geläufig: der Einstellung zur Strafbarkeit des Versuchs. Hierfür ist ausschlaggebend, worin man den Grund für eine Strafe überhaupt erblickt. Sieht man Strafe als Reaktion auf den bösen Willen des Täters, so ist auch der erfolglose (bloße) Versuch zu sanktionieren. Stellt man hingegen auf den mißbilligten Erfolg ab, so kann der Versuch an sich keine Folgen nach sich ziehen. An verschiedenen Stellen des Corpus iuris civilis - in Codex, Institutionen, Digestum vetus und Digestum novum - zogen eine Reihe von Textstellen das Interesse der Bearbeiter auf sich, da sie in der einen oder anderen Weise für diese Frage von Bedeutung schienen. Die Glossa ordinaria verbindet sie durch Verweise und macht zugleich mit den bis etwa 1230 entwickelten Antworten bekannt. Sie steht am Ende der wissenschaftlichen Bemühungen mehrerer Generationen. Die Sichtung der sich mit diesem Thema beschäftigenden, in ca. 350 Handschriftencodices überlieferten voraccursischen Glossen (die im Anhang versammelt sind) verdeutlicht die Genese: Erscheint zunächst ausschlaggebend, daß kein Erfolg eingetreten ist, so gewinnt im Laufe der Zeit die Intention des Täters zunehmendes Gewicht. Daneben wird deutlich, in welchem Maße Accursius ein seinen Vorgängern verpflichteter Kompilator war. Die Frankfurter juristische Dissertation, die zugleich versucht, den allgemeinen Geisteshorizont der Wende des 12. zum 13. Jahrhundert im Blick zu behalten, wurde mit dem „Preis zur Förderung der Geisteswissenschaften (Friedrich Sperl-Preis) 1986“ der Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main e. V. ausgezeichnet.
Hans Peter Glöckner Books


Positive Vertragsverletzung
Die Geburt eines Rechtsinstituts
Am Beispiel des 500jährigen Kampfes des Benediktinerklosters Neresheim um die Erlangung der Reichsunmittelbarkeit zeigt die Arbeit die vielschichtigen politischen Strukturen des Verfassungswesens des Heiligen Römischen Reiches auf. Das Kloster Neresheim suchte als schwächeres Glied des Alten Reiches den Schutz der obersten Reichsgerichte vor der Einverleibung in das Territorium der Grafen von Oettingen-Wallerstein. Aufgrund seiner Beharrlichkeit erlangte das Kloster nach langwierigen und kostspieligen Prozessen – wenn auch nur für kurze Zeit – im Jahre 1765 die langerstrebte «goldene Freiheit» mit der Aufnahme in das Reichsprälatenkollegium. Bereits 1263 befaßte sich der große Kirchenmann und Universalgelehrte von europäischem Rang, Albertus Magnus, mit dem Rechtsstreit und fällte einen Schiedsspruch.