Matthias Gründig Book order

In ihrem seit 2017 konstant wachsenden Projekt Abzgram bricht die polnische Medienkünstlerin Karolina Wojtas mit denkbar allen Regeln der Fotografie: seien es schräge Kompositionen, übersättigte Farben, Unschärfe oder ein aggressiver Einsatz des Blitzes. Diese mal vorgefundenen, mal inszenierten Szenarien nutzt sie für die Bedruckung verschiedener Materialien, mit denen sie den Ausstellungsraum in eine begehbare Installation verwandelt. Mit böser Ironie antwortet Karolina Wojtas komplexe Multimedia-Arbeit auf das rigide polnische Schulsystem, das Kindern Regeln auferlegt, die militärische Züge haben: stillstehen, sich nicht berühren, die Hände am Körper entlang gestreckt, den Blick geradeaus. Im Sinne eines Reenactments lädt sie die Leser*innen ein, sich dabei in die Welt des Kindes zurückzuversetzen. Die Publikation erscheint im Rahmen des C/O Berlin Talent Awards 2022 mit Texten von Matthias Gründig und begleitet die Ausstellung Karolina Wojtas. Abzgram bei C / O Berlin. Seit 2020 wird der C / O Berlin Talent Award durch die Alexander Tutsek-Stiftung ermöglicht. Karolina Wojtas (*1996 PL) lebt und arbeitet als interdisziplinäre Künstlerin in Łodz (Polen). Matthias Gründig (*1989 DE) lebt und arbeitet als Wissenschaftler und Kritiker in Essen.

In den 1860er-Jahren unternahm der Thüringer Botaniker Carl Haussknecht Forschungsreisen in das Osmanische Reich, nach Persien und durch den Kaukasus. Neben der Erforschung der exotischen Pflanzenwelt interessierte ihn auch die reiche Kultur des Vorderen Orients. Haussknecht brachte nicht nur eine wertvolle Sammlung seltener Pflanzen zurück, sondern auch eine Schachtel mit fotografischen Visitenkarten. Matthias Gründig widmet sich in seinem anschaulichen Buch dieser Sammlung von fast einhundert „Cartes de visite“ und beleuchtet deren Bedeutung in der Bildkultur des späten 19. Jahrhunderts. Diese Karten dienten dazu, Bekanntschaften zu knüpfen, Erinnerungen festzuhalten und Prominente zu sammeln. Sie verdeutlichen die sozialen Netzwerke, die bis nach Teheran, Konstantinopel, Aleppo und Tiflis reichten. Gründig entfaltet die faszinierende Geschichte kultureller Begegnungen, die sich durch die Fotografien zeigt. Ein farbiger Katalogteil ermöglicht es, alle Bilder in Originalgröße zu betrachten. So entsteht ein neues Bild von früher Globalisierung und Medienmoderne, das bislang unbekannt war.