The Symmetry Teacher. Der Symmetrielehrer, englische Ausgabe
- 288 pages
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Seemingly unrelated stories attempt to recreate and identify the writer of a novel once read by the author
Andrei Bitov delves into the intricate aspects of human existence with a unique introspective depth. His style is characterized by meticulous observation of characters' psyches and a subtle portrayal of the Russian soul. Bitov masterfully weaves personal narratives with broader social and philosophical reflections, crafting works that resonate with timeless urgency.






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Novelle
Abgeschnitten von der westlichen Moderne, die ihm nur vom Hörensagen bekannt war, hat Andrej Bitow Anfang der sechziger Jahre den stream of consciousness für die russische Literatur neu erfunden. Die unerwartete Frische und Kühnheit dieses Verfahrens bezeugt die jetzt erstmals ins Deutsche übersetzte Novelle Geschmack : ein Eindruck wie beim Hören alter Coltrane-Platten. Der Bauingenieur Alexej Monachow, ein melancholischer Durchschnittsbürger, sitzt im Zug von Leningrad nach Moskau. Das Pulsieren der Landschaft vor dem Fenster, das Gefühl, daß sein Leben nichts Neues mehr bringen wird, Neues schlechthin niemals sein wird, plötzliche Eingebungen, aufblitzende Ahnungen, gleich wieder fortgerissen wie Treibgut im Bewußtseinsstrom - so jagt der arme Held durch die wenigen Tage, die wir mit ihm erleben: in der Datschengegend Peredelkino, am Grab Pasternaks, bei der Beerdigung einer alten Verwandten. Monachow ist ein Suchender, ein Mensch, für den die Kluft zwischen Rolle und au-thentischem Sein immer tiefer wird. Der letzte lebendige Sinn, der ihm noch zur Verfügung steht ist ein Geschmack im Mund - eklig, aber unabweisbar, die Gewißheit, in der äußersten Selbstentfremdung sich selbst noch nah zu sein. Monachows Pirogge am Bahnhofsbüfett hat nicht weniger metaphysische Würde als die Madeleine, die Marcel Proust eine Menschheitsepoche früher in eine Tasse Lindenblütentee tauchte.
Eine Datscha, nicht weit, aber weit genug von der Stadt entfernt, ideal zum Arbeiten – das ist der Plan. Sergej, ein junger Schriftsteller und Vater, richtet sich dort mit seiner Frau und dem kleinen Sohn für die Sommerfrische ein. Von der Landpartie erhofft er sich die Muße, endlich in Ruhe schreiben zu können. Aber aus der Abwesenheit urbaner Zumutungen entsteht keine Konzentration, sondern eine andere Art der Unruhe, die ständig um das (Nicht-)Schreiben und seine äußeren Bedingungen kreist, um Nähe und Abgrenzung, Autonomie und Selbstorganisation. Den herrlich atmosphärischen, oft selbstironischen Alltagsbeobachtungen und -reflexionen des »Lebens bei windigem Wetter« werden die »Aufzeichnungen aus der Ecke« an die Seite gestellt – ein intimer Werkstattbericht, die Innenschau des Schreibenden, seine Notate zu Lüge und Wahrheit in der Literatur, zu Tod und Ungerechtigkeit, Traum und Wirklichkeit. Und so ergibt sich das hinreißende Doppelbild eines jungen Mannes in den windigen Wettern zwischen Familienalltag und Werk – ein Text von großer Gegenwärtigkeit und überraschender, zeitloser Aktualität.