Der Sammelband untersucht die Theorie und Praxis der Literaturvermittlung in der nachbürgerlichen Wissensgesellschaft. Er analysiert, wie externe Faktoren wie Macht und Ökonomie sowie mediale Bedingungen die Wertung und Kanonisierung zeitgenössischer Literatur beeinflussen. Er richtet sich an Fachleute der Literaturwissenschaft und des Literaturbetriebs.
Claudia Stockinger Books






Das 19. Jahrhundert
Zeitalter des Realismus
Realismus ist die 'Widerspiegelung alles wirklichen Lebens im Elemente der Kunst', heißt es bei Theodor Fontane. Doch was bedeutet das konkret? Wie funktioniert die poetische Modellierung der Wirklichkeit, welche Rolle spielt dabei die dichterische Einbildungskraft, welche die Tradition der Romantik? Der Epochenband zum 19. Jahrhundert stellt die Literatur des Realismus in seiner Programmatik und Vielseitigkeit vor. - Epochenbegriff und Epochengrenzen: Periodisierung und zeitgenössische Selbstpositionierung - Autorschaft und Literaturbetrieb zwischen Kommerzialisierung und Kunstanspruch - Literatur im Kontext von Industrialisierung, technischer Innovation, Verbürgerlichung und Nationenbildung - Konzepte des Realismus: Abbild der äußerlich sichtbaren Wirklichkeit oder Veranschaulichung der 'eigentlichen' Sinndimension? - Das Gattungssystem: realistische Darstellungsverfahren in Roman, Novelle, Lyrik und Drama
Wie vor 150 Jahren in dem Familienblatt Die Gartenlaube die Grundlagen für die moderne Kunstform Serie gelegt wurden. Die Gartenlaube war das Massenmedium des 19. Jahrhunderts. In ihr entfaltete sich die Populärkultur des bürgerlichen Zeitalters. Selbst zeitgenössische Kritiker attestierten der Zeitschrift enormen Einfluss auf das öffentliche Leben der sich bildenden deutschen Nation. Dieser Erfolg beruhte nicht zuletzt auf dem virtuosen Umgang mit Verfahren der Serialität, die Serie als arbeitsteilig erzeugtes Netzwerk aus Personen, Institutionen, Objekten und Technologien sichtbar machen und die Aufmerksamkeit der Rezipienten bis heute organisieren. An der Gartenlaube lässt sich demnach einerseits sehen, wie voraussetzungsreich Serialität ist - was uns heute gängig erscheint, entwickelte sich erst allmählich, in langfristigen Prozessen von trial and error, zu geläufigen Publikationspraktiken. Andererseits erschließt gerade ein Organ wie die Gartenlaube bereits am Beginn der populären Serialität um 1850, welche facettenreichen und komplexen Praktiken die Erfolgsgeschichte des Seriellen begründen.
„Die Bibel zum Beispiel: So ein dickes Buch und nicht ein anständiger Witz drin.“ Äußerungen wie die des Münsteraner Tatortermittlers Thiel machen die Beliebtheit der Fernsehreihe Tatort aus. Keine andere Krimi-Serie erreichte seit ihrer Erstausstrahlung 1970 ein vergleichbares Interesse bei den Zuschauern. Doch welche Rolle spielen religiöse Themen im Tatort? Dieser Frage geht Claudia Stockinger in der Veröffentlichung zur Verleihung des Bad Herrenalber Akademiepreises 2012 nach. Sie stellt fest, dass Religion oberflächlich gesehen vielleicht nur ein Randthema der Serie ist. Bei näherem Hinschauen entpuppt sie sich aber als Motiv-Reihe, an der sich die wandelnde Rolle von Religion in unserer Gesellschaft in den vergangenen vierzig Jahren aufzeigen lässt. Stockingers Analyse zeigt, dass Tatort-Kommissare und Kirchenvertreter mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben: Sie setzen sich für eine bessere Welt ein, können aber nicht sicher sein, dass sich durch ihre Arbeit das moralisch Richtige immer durchsetzt. Für ihren Beitrag „Religion im Tatort“ erhielt Stockinger den Bad Herrenalber Akademiepreis 2012.
Das literarische und philologisch-literaturkritische Werk Ludwig Tiecks (1773‑1853) bestimmte maßgeblich die Literatur und den Kulturbetrieb in der Zeit um 1800 wie die Epochensituation nach der „Kunstperiode“. Das Lexikon stellt Leben und Zeit Tiecks dar, ordnet sein Werk in die ästhetische Tradition ein und beschreibt seine Poetik und sein Engagement als Literaturkritiker, Editor und Philologe. Einzelne Texte werden im Kontext des Gesamtwerks sowie im Kontext ihrer Zeit interpretiert, und auch die Wirkung von Tiecks Œuvre wird dargestellt. Der Artikelteil wird ergänzt durch eine vollständige Forschungsbibliographie.
Martin Kessel (1901 - 1990)
- 362 pages
- 13 hours of reading
Der Berliner Autor Martin Kessel ist heute weitgehend vergessen, obwohl er in den 1930er Jahren mit seinem Angestelltenroman Herrn Brechers Fiasko gegen zeitgenössische Großprojekte antrat. Mit aphoristischem Sprachwitz und präziser Beobachtungsgenauigkeit lässt der Roman die Realität der Angestelltenwelt lebendig werden und bietet eine literarische Antwort auf soziologische Zeitdiagnosen, wie sie etwa Kracauer in seiner Artikelserie Die Angestellten (1929) formulierte. Kessel war jedoch nicht nur für dieses Werk bekannt; seine literarische Biografie erstreckt sich über das gesamte 20. Jahrhundert, und er erhielt bedeutende Auszeichnungen wie den Georg-Büchner-Preis 1954. Der Band beleuchtet die verschiedenen Facetten von Kessels Autorschaft und zentrale Aspekte seines Gesamtwerks. Dazu gehören seine philologischen Arbeiten, insbesondere Studien zur Novellentechnik Thomas Manns, sowie seine Poetologie und die epochale Substanz der Dichtung. Außerdem wird Kessels Verhältnis zu Geschichte und Anthropologie, seine Autorstrategien im Literaturbetrieb der Nachkriegszeit, seine Rolle als Lyriker und Erzähler im literarhistorischen Kontext, die Bedeutung der Werbung für sein Erzählen, seine Erzählungen während der NS-Zeit und sein Nachkriegsroman Lydia Faude behandelt.
Die Dramen von Fouqué und seinen Zeitgenossen gelten als vernachlässigt in der Literaturgeschichte, obwohl sie eine bedeutende Zusammenstellung der poetischen Möglichkeiten der Romantik bieten und auf zentrale zeit- und wissenschaftspolitische Ereignisse reagieren. Der Aufbau der Arbeit orientiert sich an Fouqués (1777-1843) unter Pseudonym veröffentlichtem Frühwerk, das sich mit der frühromantischen Poetologie auseinandersetzt. Es versucht, eine allegorische Welttheaterdramatik zu entwickeln, die sowohl von Ludwig Tiecks Lustspielkonzeption als auch von der spanischen Komödientradition beeinflusst ist. Das nationalpolitische Programm des Hauptwerks wird durch die behandelten Stoffe strukturiert: Die Mythendramen reflektieren die zeitgenössischen Forderungen nach einer „neuen Mythologie“, während die Geschichtsdramen auf aktuelle politische Ereignisse reagieren und zentrale Momente der Nationalgeschichte mit historiographischem Anspruch dramatisieren. Die Mittelalterdramen präsentieren wichtige Überlieferungszeugen im Kontext eines sich entwickelnden philologischen Interesses an einer deutschen Nationalliteratur. Fouqués Auseinandersetzung mit Schiller ist entscheidend für die Entwicklung einer genuin romantischen Dramenform und eröffnet Perspektiven auf übergreifende Linien seines Gesamtwerks. Die Aufhebung traditioneller Gattungsgrenzen in einem dramatisch-musikalischen Gesamtkunstwerk wird durch die poetologische Fundierung
