Überall Ordnungen: Einordnung, Zuordnung, Unterordnung. Odile Kennels Band „Irgendetwas dazwischen“ ist ein Plädoyer für die Unordnung. Im Fokus steht der Austragungsort so vieler Ordnungsversuche: der Körper. Eins ist in Kennels Gedichten klar: Der Körper lässt sich nicht säuberlich zusammenfalten und in Identitätsschubladen stecken. Es geht den Gedichten um Ausfaltung, um Entfaltung – und den vermeintlichen Ordnungsapparat schlechthin: Sprache. Kennels Gedichte sind dabei immer unbedingt sinnlich, bewegen sich über Sprachen hinweg, kosten die Vielfalt der Möglichkeiten aus, die sich ihr bieten – spielerisch, ironisch, verzweifelt. Jedes Gedicht zeigt: Erst im Zusammenspiel entsteht etwas, das nicht nur denkbar und benennbar, sondern vor allem eines ist: lebbar.
Odile Kennel Books






Ein Gang durch eine Stadt bei Schnee, einen Laib Brot am Leib; nach wenigen Schritten schon bröckelt der sichere Rahmen der Sprache: Das „K“ des Kalauers, des puckernden Muskels verwandelt die Worte anderer Sprachen in Kör Kurassau Kuore. Von Leibeigenschaft ist die Rede – schließlich beginnt das Wort Körper mit „K“. Das Alphabet aber / gibt Laut, raunt, barmt, zetert, / stöhnt, rutscht im Mund herum, schlüpft / unter die Zunge, das Alphabet / braucht Raum, breitet sich aus / auf der Haut. Die Sprache in Hors Texte lässt sich nicht bändigen, wird zum begehrenden Körper, der sich das Gegenüber einverleibt: Das Du/weiß um seine Stellung. Das Ich fächert sich auf, fällt in die Spalte/zwischen zwei Körpern, zwei/Wörtern, die Körper sind, sucht nach einer neuen Sprache, bafouilliert, baragouiniert, schwankt, schwächelt. Hält sich fest an greifbaren Dingen wie Minigolf, Grillanzünder und Tintenfischbeine, und an nicht ganz so greifbaren Dingen wie Sex und Saft und Sauerei. Vielsprachig, sprachverspielt, humorvoll sind diese Texte, als ließe sich Sprache in ihrer Vervielfachung überhaupt erst fassen. Als wären Sprachspiel und Humor ein rettendes Netz, wenn alle Gewissheiten sich verflüchtigt haben.
Lust
- 48 pages
- 2 hours of reading
»Ich hätte nicht öffnen sollen. Hätte tun sollen, als sei ich nicht zuhause.« Nominiert für den Alfred-Döblin-Preis Es klingelt, doch sie kennt hier niemanden. Vor der Tür steht ein fremder junger Mann, er nennt sich Alexander Vogler und behauptet, Béatrice sei mit seiner Mutter Helga befreundet gewesen. Béatrice ist gerade beim Auspacken, sie ist umgezogen, von der Stadt in eine alte Mühle an einem See. Was weiß dieser Mann von ihrem Leben? Er aber möchte wissen, warum seine Mutter Anfang 1977 für drei Jahre spurlos verschwand. Béatrice kann sich an nichts erinnern, beginnt aber bald zu zweifeln: Ist Helga vielleicht Hah, in die sie uneingestanden verliebt war? Musste Hah als Sympathisantin in jenen hochpolitisierten Jahren untertauchen? Das Porträt einer Frau, in deren Leben die Geschichte der Bundesrepublik aufscheint, ein Roman über die Unsicherheit der Erinnerung, über die Rückkehr in die Provinz. Ein Buch, das die Frage aufwirft, wie wir uns der eigenen Geschichte stellen.
In Odile Kennels Gedichten blitzen Erfahrungen von Transzendenz in alltäglichen Ereignissen und Dingen auf. Sie reflektiert über das Leben, die Liebe und den Tod, während sie auch unkonventionelle Themen wie Taschendiebe und Meteorologen anspricht. Ihre Gedichte sind eine Mischung aus Erzählungen und sprachspielerischen Elementen, die durch Rhythmus und Klang geprägt sind und einen frischen Blick auf die Gegenwart eröffnen. Die Inhalte reichen von offenen Türen und flüchtigen Momenten bis hin zu persönlichen Erlebnissen und gesellschaftlichen Beobachtungen. Kennel thematisiert die Flüchtigkeit des Lebens, das Glück und die Herausforderungen des Daseins, während sie den Leser mit Fragen und Gedanken zu Tieren und ihrer Bedeutung konfrontiert. Ihre Werke sind sowohl tiefgründig als auch leicht zugänglich, laden zum Staunen ein und zeigen die Komplexität der menschlichen Existenz. In einer poetischen Reise durch verschiedene Themen und Stimmungen schafft Kennel eine Verbindung zwischen dem Alltäglichen und dem Transzendenten, die den Leser zum Nachdenken anregt und neue Perspektiven eröffnet.
Drei Frauen, zwei Länder, die Geschichte einer Familie Ende der Achtzigerjahre lebt Louise in Berlin, aufgewachsen ist sie in der Normandie. Als sie unerwartet auf Ida trifft, eine ihr unbekannte Großcousine, erfährt sie, was ihr bislang verschwiegen wurde: Während die Deutschen Frankreich besetzten, verliebte sich ihre Mutter Paulette in Franz, einen Wehrmachtssoldaten – ein Skandal in Frankreich und für die Familie. Ida verschaffte Paulette ein Alibi für die heimlichen Treffen. Doch Idas Lebensgeschichte birgt noch weit mehr Geheimnisse ...
"Wimpernflug" ist die Geschichte der neunjährigen Cecile, die in Deutschland zweisprachig aufwächst. Für alle Dinge gibt es zwei Worte, ein französisches und ein deutsches. Es ist gar nicht so einfach, bei diesem Wort- und Gefühlsgewirre den Überblick zu behalten und bei sich zu bleiben. Aber Frankreich und Deutschland liegen doch so nah beieinander! Cecile sieht das anders. warum gibt es bei der Begrüßung in Deutschland kein bise, sondern nur einen Händedruck und warum ist eine deutsche Gemüsesuppe keine soup aux legumes, wie ihre Mutter sie macht? Auf Worte ist eben kein Verlass!§Schnell muss man sein, um zwischen zwei Sprachen hin und her zu springen, schnell auch, um mit dem Wirbel der Worte mitzuhalten und sich nicht darin zu verlieren. Atemlos ist deshalb auch das Mädchen, das seine Geschichte erzählt.
