mochten es vielleicht für attraktiv halten, aber sie glaubten nicht, daß es in Deutschland, in einer damals von mancherlei kulturellen Gegensätzen durchzogenen Gesellschaft mit einem „Vielparteiensystem“, funktionieren könne. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft begannen sich diese Einstellungen zu ändern. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die zum Zusammenbruch der Weimarer Republik geführt hatten, erschien das Westminstermodell nicht wenigen Beobachtern als eine überlegene Re gierungsweise. Das war kein ganz neuer Gedanke. Schon im ausgehenden Kaiserreich und in den Anfangen der Weimarer Republik war das Westminster-Modell eine Alternative, die von klugen Beobachtern ernsthaft diskutiert wurde. Aber damals überwog die Skepsis, ob denn in der fragmentierten deutschen Gesellschaft mit ihrem Vielparteiensystem ein solcher Institutionenwandel überhaupt eine ernsthafte Chance hätte. In den Anfangsjahren der Bundes republik änderte sich diese Wahrnehmung. Vor dem Hintergrund des politi schen Wiederaufbaus in Westdeutschland erschien sie zunehmend auch als eine durchaus realistische Perspektive. Dies nicht zuletzt deshalb, weil sich die Struktur des westdeutschen Parteiensystems schon im ersten Nach kriegsjahrzehnt deutlich zu verändern begann. Hier zeichnete sich eine Konzentrationsbewegung auf CDU und SPD ab, die den bipolaren Wett bewerb zwischen zwei um die Hegemonie konkurrierenden Großparteien sowohl möglich machte als auch beförderte. Freilich unterschied sich das sich neu formierende Regierungssystem der „alten“ Bundesrepublik vom Westminstermodell deutlich in einer wichtigen Hinsicht: Parteikoalitionen blieben bei der Regierungsbildung - jedenfalls im Bunde - der Regelfall. Und die entschiedenen Anhänger desWestminstermodells hielten dies lange für ein Defizit der demokratischen Nachkriegsentwicklung in Westdeutsch land, das der Korrektur bedürftig sei.
Gerhard Lehmbruch Book order






- 2003
- 1995
Einigung und Zerfall
- 376 pages
- 14 hours of reading
InhaltsverzeichnisZwischenbilanz der deutschen Einigung.Die politische Kultur in Ost- und Westdeutschland: Eine Zwischenbilanz.Ko-Referat zu W. Bürklin: Die politische Kultur in Ost- und Westdeutschland: Eine Zwischenbilanz.Architektur der Unterkomplexität.Politische Willensbildung und Entscheidungsstrukturen im Prozeß der deutschen Einigung — Im Osten nichts Neues?.Der Kampf um die Finanzierung der deutschen Einheit.Reform oder Rekonstruktion: föderative Finanzkonflikte im Einigungsprozeß und ihre Beurteilung.Transformationsprozesse in Deutschland und Europa.Der Totalitarismus in Osteuropa und seine Folgen — eine theoretische Betrachtung.Totalitarismustheorie — eine vergessene oder verlassene Stufe der Reflexion? Anmerkungen zu Graf Ballestrem.Funktion von Nationalismen im Systemwandel Osteuropas.Gemeineuropäisches Verfassungsrecht — historisch entwickelt?.Superstaat Europa oder Ende der Integration? Die Europäische Union aus der Perspektive der neuen Kleinteiligkeit.Internationale Aspekte von Einigung und Zerfall in Deutschland und Europa.Frieden in Europa — ein Komplexprogramm.Frieden in Europa — Versagen der Institutionen?.Systemtransformation durch europäische Integration? Der Beitrag der EU zur Stabilisierung der Reformen in Mittel- und Osteuropa.Selbsthilfe und Selbstbegrenzung im internationalen System. Die EU im neuen Ost-West-Verhältnis.Weltpolitische Ambitionen und mini-regionalistische Perspektiven. Europa im internationalen System.Europa als internationaler Akteur.Gastvorträge.The Social Requisites of Democracy Revisited.Die Sozialwissenschaften und die Wende: Grenzen der Prognosefähigkeit.Eröffnungsvortrag.Die Politikwissenschaft im Porzeß der deutschen Vereinigung.