Niehues-Pröbsting präsentiert anschaulich den Formenreichtum antiker Philosophie in Literatur, Schulen und Lebensweisen sowie ihre Bedeutung für die europäische Kultur. Damit setzt er sich von der immer noch vorherrschenden Reduzierung antiken Denkens auf Begriffe, Theorien und Systeme ab.
In diesem Buch werden Kynismus und Zynismus nicht wertend voneinander abgegrenzt; es erfolgt weder eine einseitig negative Kritik des Zynismus noch wird Kynismus als einziges Mittel gegen die zynische Korruption der Vernunft empfohlen. Das Buch meidet Moral und Moralisierung, bietet kein Feindbild oder Identifikationsfigur und ist somit kühler und trockener als Peter Sloterdijks spätere Kritik der zynischen Vernunft. Es verdeutlicht den Prozess, in dem der moderne Begriff aus dem antiken entstanden ist, wobei Kynismus als Ausgangspunkt und Potential dargestellt wird. Dies geschieht weniger durch die Definition eines philosophischen Programms, sondern überwiegend durch die Beschreibung der legendären Figur des Protokynikers Diogenes. Diese Erhellung des Begriffs erfolgt ähnlich wie bei Kierkegaard, der den Begriff der Ironie durch Sokrates erläuterte. Allerdings ist das verfügbare Quellenmaterial zu Diogenes heterogener und weniger literarisch gewichtet als die sokratischen Dialoge Platons. Besonders relevant ist der große Bestand an Anekdoten, der in der neuzeitlichen Geschichtsschreibung der Philosophie oft in Mißkredit geraten ist, sowohl durch historische und philologische Kritik als auch durch die Identifikation von Philosophie und Ideengeschichte seit Hegel. Die Arbeit rehabilitiert die Figur des Diogenes und die Anekdote als Medium der Philosophiegeschichte.