Nicht Sprachschöpfer sondern Sprachverwerter
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Seit den fünfziger Jahren veröffentlicht der französische Schriftsteller Frédéric Dard unter dem Pseudonym „San-Antonio“ Kriminalromane, die durch ihre eigenwillige Sprache auffallen. Die Kritik beurteilt San-Antonio zum Teil als schöpferisches Genie, das eine völlig neue Sprache schafft, neue Bilder, neue Wörter, als Sprachvirtuose, der sich kühn über Normen hinwegsetzt. Diese Aussagen halten Westenfelders Analyse nicht stand. Bei den Wortbildungen handelt es sich weitestgehend nicht um „création pure“, sondern Neubildungen nach vom Sprachsystem vorgegebenen Mustern. Seine Neuerungen sind nicht lebensfähig, da sie keinem interindividuellen Ausdrucksbedürfnis entsprechen, sondern lediglich humoristische Funktion haben. Den theoretischen Rahmen bildet abweichend von F. de Saussure, der noch vonder Einzelsprache als einem homogenen Gebilde ausging, die These von der „geordneten Heterogenität“ (Nabrings) der Sprache. Mit Henri Frei ist Westenfelder der Auffassung, man könne nicht nach Saussures Ansatz synchronische und diachronische Betrachtungsweise trennen, da für das Aufeinanderfolgen von Erscheinungen auf der Zeitachse eine Wechselbeziehung von Erscheinungen auf der statischen Ebene zu suchen ist. Während Saussure den Sprachwandel nur als Zufallsprodukt betrachtet, sieht Coseriu den Wandel als notwendige Bedingung der funktionalen Synchronizität der Sprache. Mit Hilfe dieses theoretischen Rüstzeugs werden die Normabweichungen bei San-Antonio nicht nur aufgezählt, sondern als System dargestellt. Sie sind aufgrund von Gesetzen entstanden (Diachronie) und hängen aufgrund eben dieser Gesetze miteinander zusammen (Synchronie). So können auch Erscheinungen, die in der Literatur nicht nachzuweisen sind, als (wenigstens potentielles) français populaire ausgewiesen werden. Freis Theorie liefert dabei den Rahmen zur Aufstellung neuer Theorien zu Erscheinungen, die in der Literatur nicht geklärt sind.