Geschlechtsspezifische Aussprachevarianten im Russischen
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Untersuchungen zur Frage geschlechtsspezifischer Aussprache im Russischen lagen bisher weder in der deutschsprachigen noch in der englisch- oder russischsprachigen Wissenschaftswelt vor. Beobachtungen in dialektologischen oder soziolinguistischen Arbeiten blieben unsystematisch, und Aussprachevarianten von Frauen wurden traditionell als „normabweichend“ notiert, wie man es z. B. schon bei Trubetzkoy finden kann. Der Grund für die geringe Beachtung der Thematik dürfte in dem relativ niedrigen Stellenwert liegen, der ihr über die Jahre hinweg zugekommen ist. In der vorliegenden Arbeit wurden Aussprachevarianten von Frauen und Männern im Russischen mittels empirischer und soziolinguistischer Methoden untersucht. In (damals) Leningrad wurde dazu ein Korpus mit neuen empirischen Daten der russischen Sprache auf der Grundlage von Interviews mit 108 russischen Muttersprachlerinnen erstellt. Die Auswertung der Daten erfolgte sowohl in auditiver Form als auch computergestützt durch ein Lautanalyseprogramm, das es ermöglicht, Laute und Lautgruppen qualitativ und quantitativ zu untersuchen und zu messen, wodurch eine über die auditive Wahrnehmung hinaus erweiterte Grundlage für die Untersuchung gebildet werden konnte. In der untersuchten Stichprobe wurden Ausspracheunterschiede bei Männern und Frauen positiv festgestellt, und zwar sowohl die Qualität als auch die Quantität von Lauten betreffend, die systematisch auf der Ebene von Allophonen vorkommen, d. h. nicht phonemisch ( phonologisch ) zu werten sind. Unterschiede existieren bei der Lautdauer, der Vokalreduktion, Koartikulation, der Palatisierung von Konsonanten, den Affrikaten. Insgesamt wurde eine stärker an der Standardlautung orientierte Aussprache bei Frauen als bei Männern konstatiert. Die Resultate sind relevant im Bereich der soziophonetischen Grundlagenforschung, der linguistischen und geschlechtsspezifischen Forschung sowie des Hörverständnisses von Russisch-Fremdsprachenlernenden.