Gärtnern
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Ich liebe meine Frau. Und ich liebe unseren Garten. In dieser Reihenfolge. Eindeutig. Bei meiner Frau bin ich mir über die Rangfolge nicht immer ganz so sicher. Wenn sie von der Arbeit nach Hause kommt, ist sie müde und abgespannt, braucht Erholung. Das ist mehr als verständlich. Sie schließt dann die Türe auf, ruft mir »Hallo Schatz« zu und geht in den Garten. Kein Kuß, keine Frage, wie es mir geht, nichts. Sie setzt eben Prioritäten. Wenn bei mir nicht alles in Ordnung wäre, hätte ich sie sicher schon im Büro angerufen. Außerdem bin ich erwachsen und selbstständig. »Ihr« Garten aber braucht sie. Er wartet den ganzen Tag lang auf sie, wartet darauf gewässert, gedüngt, von Unkraut befreit zu werden. Ich kann ja selbst für mich sorgen, einkaufen gehen und mir etwas zu essen machen. So ein Garten ist aber wie ein kleines Kind. Er braucht seine Nanny, sonst bockt er oder schlägt über die Stränge. Meint sie jedenfalls. Mindestens eine halbe Stunde lang wandelt sie dann durch die Idylle, betrachtet die Rosen, bewundert den Rittersporn, strahlt die Hortensie an, flirtet mit ihren geliebten Lilien und macht den von Schnecken bedrohten Lupinen Mut. Und ich überlege, ob ich im nächsten Leben nicht als Kosmee wiedergeboren werden will. Mit welchem Glanz in den Augen sie die Dreimasterblumen anschaut, wie liebevoll sie die Trollblumen streichelt. Man könnte direkt eifersüchtig werden. Was heißt könnte. Ich bin eifersüchtig. Und zwar zu Recht. Schließlich habe ich sie zuerst gekannt. Der Garten trat erst später in unser Leben. Und daran hatte ich einen nicht unerheblichen Anteil. Ich habe ihn schließlich angelegt, während sie irgendwelche komischen meetings hatte. Von mir stammt der letztendlich realisierte Grundriß. Und was ist der Dank: Meine Frau verliebt sich in ihn. Noch nicht einmal eine ordentliche ménage à trois ist möglich. Sie ist auch noch eifersüchtig, wenn ich etwas anderes mache, als ihm still dienend Wasser zu geben. Peter Würth war Chefredakteur von Country und Zeit-Magazin und hat »wie alle anständigen Journalisten« bei der Münchener Abendzeitung angefangen.
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