Zwischen Welten
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Adolf von Hildebrands Wohn- und Atelierhaus in München-Bogenhausen wurde im Oktober 1898 baulich fertiggestellt und von einer ebenso kinderreichen wie individuell begabten Künstlerfamilie bezogen. Hausherr Hildebrand war damals gerade zum führenden Bildhauer in München aufgestiegen und nahm in seinem Fach etwa den Rang ein, den Lenbach, Kaulbach und Stuck als 'Malerfürsten' innehatten. Nur verstand er sich eben keineswegs als 'Fürst', sondern als sachlich-kühler, durchaus bürgerlicher Meister des Handwerks. Weniger bekannt ist, dass Hildebrand auch ein bahnbrechender Theoretiker war. Mit seinem Buch 'Das Problem der Form' schrieb er ein Werk, worauf sich eine ganze Generation von Kunsthistorikern und Kunstpädagogen berufen hat. So ist Hildebrands Haus - heute als Hildebrandhaus Sitz des städtischen Literaturarchivs und der Bibliothek der Monacensia - stets mehr gewesen, als nur ein repräsentativer Wohnsitz. Bildhaueratelier, Wirkungsstätte wissenschaftlichen und musikalischen Lebens, Schauplatz der Diskussion - diese produktive und kommunikative Einheit verlieh dem Haus einen einzigartigen Stil. Berühmte Persönlichkeiten wie Wilhelm Furtwängler, Ludwig Curtius, Georg Kerschensteiner, Hans Thoma, Kronprinz Rupprecht, Annette Kolb, Cosima Wagner, Heinrich Wölfflin verkehrten hier. Nach dem Tod des Vaters (1921) setzten Hildebrands Kinder das kulturelle Leben nach eigenen Maßstäben fort, bis die Machtübernahme der Nazis 1933 alles änderte. Die Autoren des Bandes schildern, analysieren und rekonstruieren diese Tatsachen und Vorgänge. Ernst Rebel porträtiert Person und Haus Hildebrand aus der Sicht zeitgenössischer Wahrnehmungen. Wolfgang Kehr beleuchtet das kunstwissenschaftliche und kunstpädagogische Geflecht der Beziehungen und Wirkungen rund um den Theoretiker Hildebrand und sein Buch. Lebensvolle Einsichten und viele neue Ergebnisse in der historischen Recherche ergeben zusammen ein überraschendes Bild. 'Zwischen Welten' wird man, in vielfachem Sinne, die Persönlichkeit und Wirkung Hildebrands gestellt finden. Weil nicht Hildebrands Kunst selbst, nicht das Œuvre seiner Brunnen, Bauten, Porträtbüsten und Grabmale im Vordergrund der Beiträge steht, wird umso deutlicher der Zwischenstatus an der Wende zum 20. Jahrhundert markiert: Widersprüche zwischen Tradition und Moderne, zwischen konservativer Bürgerlichkeit und musischem Bildungsanspruch, Idealität und Realität. Auch Widersprüche - gerade sie - können aufschlussreich-fesselnd, ja manchmal glanzvoll sein.