Der Mensch hascht unaufhörlich nach Vergnügen
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Kleine Theater sind oft Gegenstand besonderer Liebe. Auch für die Kulturstiftung der Dresdner Bank. Sie hat mit dem Dresdner Societätstheater eine dieser kleinen Bühnen vor dem Verfall gerettet und widmet ihm den mit Liebe ausgestatteten Band 'Der Mensch hascht unaufhörlich nach Vergnügen'. 1779 zog das drei Jahre vorher gegründete Societätstheater in das dem Regierungskanzlisten Hoffmann gehörende Gartengebäude hinter der Hauptstrasse 19 in der Dresdner Neustadt ein. Damit hatte die erste Vereinsbühne Deutschlands, in der Hofbeamte, Kaufleute, Gelehrte, Dichter, wohlhabende Bürger die Verantwortlichen waren, ihre Heimat gefunden. Die Societäre machten alles selbst, bestimmten den Spielplan, übernahmen die Rollen und gestalteten Bühnenbilder, musizierten und feierten Feste, stets nur für einen kleinen, auserlesenen Kreis. Alle Arbeit für das Theater beruhte auf der Gleichheit der Mitglieder und diente einer lebhaften, Kunst und Leben verbindenden Geselligkeit. Die 'Dilettanten' vollbrachten dabei achtunggebietende Leistungen auf allen Gebieten theatralischer Kunst. Bis 1832 wurde im Societätstheater regelmässig gespielt, Komödien, Schauspiele, Tragödien kamen zur Aufführung (darunter Dramen von Lessing), aber auch Opernszenen, Singspiele und komische Opern. Bedeutende Künstler der Zeit hielten freundschaftlichen Kontakt zu den Theaterenthusiasten. Noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in grösseren Abständen Aufführungen, danach verlor das Theater an Bedeutung. Im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört, verfiel das Gebäude in den nächsten Jahrzehnten weiter. Zwar fanden sich schon in den letzten Jahren der DDR kundige und tapfere Menschen, die das alte Theater zu retten versuchten. Aber erst nach der politischen Wende in Deutschland waren die Pläne zur Wiederherstellung von Erfolg gekrönt. Bürger schlossen sich zusammen, die Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank stellte sechs Millionen Mark zur Verfügung, die Stadt fasste den Beschluss zum Aufbau, eine Societätstheater GmbH wurde gegründet – und Haus und Idee eines Bürgertheaters waren damit über die Jahrhunderte gerettet. Das Theater lebt wieder, als Heimstatt freier Gruppen, als Gastspieltheater mit der Funktion als Brücke nach Osteuropa und mit eigenen Produktionen. In dem von Eckhard Gruber herausgegebenen, von Karl-Ernst Herrmann gestalteten Band wird der Geschichte und Gegenwart des Societätstheaters in umfassender Weise nachgegangen. Das Engagement der Kulturstiftung der Dresdner Bank erläutert Bernhard Freiherr von Löffelholz, der Herausgeber beschreibt die theatergeschichtlichen Zusammenhänge, Heinrich Magirius Schwierigkeiten, Absichten und Ergebnisse der Wiederherstellung des Gebäudes. Aber es gibt auch einen Anhang (leider keine Zeittafel), in dem George Tabori und Holger Teschke (leitender Dramaturg am Berliner Ensemble) das Wort haben. Von der nicht belegten These ausgehend, dass überall wieder alte, wertvolle Theater 'im Taschenformat' eröffnet würden, plaudern sie über Theater und Dichtung, über Goethe und Brecht, über die 'erträumte Naivität eines philosophischen Volkstheaters', von dem nur der dürre Begriff geblieben sei. Aber, so bemerkt Tabori, 'das Theater kann man nicht kaputtmachen'. Christoph Funke