Die Verarbeitung polymorphematischer Wörter bei Aphasie

In der neurolinguistischen Literatur wurde immer wieder über Patienten mit modalitätsspezifischen Störungen bei der Verarbeitung polymorphematischer Wörter und Neologismen berichtet. Um derartige Störungen im Rahmen eines Lexikonmodells erklären zu können, müssen spezialisierte Komponenten für die morphologische Wortverarbeitung angenommen werden. In der kognitiven Neurolinguistik wird versucht, Verarbeitungsstörungen für mono- und polymorphematische Wörter durch Erweiterungen des sogenannten Logogenmodells in einem einheitlichen Rahmen zu erklären. In dieser Arbeit wird über den diesbezüglichen Stand der Forschung berichtet und über die Ergebnisse von sechs Fallstudien mit aphasischen Patienten, die unterschiedliche modalitätsspezifische Störungen bei der Verarbeitung verschiedener polymorphematischer Wortstimuli (Komposita, derivierte und flektierte Nomina) zeigten. Es wird erörtert, welche Struktur des morphologischen Verarbeitungssystems angenommen werden muß, um die Befunde zu erklären. Hierbei werden auch verschiedene Annahmen, Modelle und Befunde zur morphologischen Verarbeitung angesprochen, die in der psycholinguistischen Lexikonforschung und in der generativen Morphologie diskutiert beziehungsweise berichtet wurden. Es soll dabei verdeutlicht werden, daß die neurolinguistische Modellbildung im Bereich morphologischer Verarbeitung durch einen interdisziplinären Ansatz wesentliche Impulse erhalten könnte.