La noblesse contre le prince
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Seit den 80er Jahren beschäftigen sich die Mediävisten mit der Entstehung des modernen Staates in Europa, die nicht nur mit der Schaffung von Institutionen oder der Errichtung eines neuen Steuersystems, sondern auch mit der Einbindung zentrifugaler Kräfte einherging. Wie sich diese Genese aus der Sicht des Adels im einzelnen vollzogen hat, darüber besteht noch immer Unklarheit. Um den Vorgang anschaulicher zu machen, hat Morsel ein typisches Beispiel aus jenen oberdeutschen Regionen des 16. Jahrhunderts herausgegriffen, die durch die Herausbildung der Reichsritterschaft gekennzeichnet sind. Gemäß der These, dass die Entstehung des modernen Staates die Bedeutung verwandtschaftlicher Strukturen zurückgedrängt habe, musste das für die Untersuchung gewählte Beispiel eine verwandtschaftliche Dimension aufweisen. Morsel stellt eines jener 'Geschlechter' dar, die das verwandtschaftliche Grundgerüst des Adels ausmachen, indem er aus der Fülle der adeligen Geschlechter, die sich dem Mediävisten im Adelsland Franken darbieten, das Geschlecht der Thüngen auswählte. Es vereint in sich alle Voraussetzungen für eine entsprechende Studie in idealtypischer Weise: Das Quellenmaterial ist umfangreich, die Thüngen gehören zum aktivsten Kreis der Adeligen und bilden einen wichtigen Knotenpunkt im Netzwerk des Adels. Dennoch wurden die Thüngen nicht als solche und um ihrer selbst Willen untersucht. Vielmehr versucht die Studie, die Beziehungen, in denen die Thüngen aktiv waren, aufzuzeigen und damit ihren 'sozialen Raum' zu umreißen. Nur durch Bewertung und Gegenüberstellung des komplizierten Beziehungsgeflechts innerhalb dieses Spektrums kann es gelingen, die schließlich positive Macht- und Einflussbilanz der Thüngen - und so auch anderer Adelsgeschlechter - zu ermitteln. In diesem Sinne untersucht Morsel, in welcher Weise über das Adelsgeschlecht berichtet wurde, welcher Art die höchst wechselhaften Beziehungen zu den Landesherren waren, wie sich der niedere Adel organisierte, wodurch die Herausbildung des Adels im 15. Jahrhundert gekennzeichnet ist und wie schließlich die Herrschaft über Abhängige sich verstärkt. Zahlreiche Tabellen, lexikometrische und semantische Analysen, soziologische bzw. anthropologische Fragestellungen kennzeichnen die Arbeit, die nicht als eine familial-zentrierte Monographie betrachtet werden kann.