Ehe, Liebe, Freundschaft
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Wie entwerfen frühneuhochdeutsche Prosaromane Ehe, Liebe und Freundschaft? Wie verändern sich diese Entwürfe zwischen 1474 und 1556? Und wie lassen sich diese Veränderungen erklären? Solche Fragen geht die Untersuchung über eine systemtheoretische Rekonstruktion des Problemhorizonts und eine diskursanalytische Aufbereitung der Lösungsstrategien an. Die Gesellschaft Oberdeutschlands beginnt sich um 1500 von stratifikatorischer auf funktionale Differenzierung umzustellen, was in literarischen Texten wie dem ›Fortunatus‹ und im realhistorischen Geschehen fassbar ist. Das schwächt ältere soziale Bindungen (Geschlecht, Verwandtschaft, Gemeinde, Genossenschaft), und erzeugt Bedarf an neuen Formen der Vergesellschaftung, dem sowohl Traktate als auch Romane Rechnung zu tragen suchen. Ältere Romane entwerfen Ehe als Bündnis zweier Dynastien, während diejenigen Georg Wickrams sich an den moralphilosophischen Ehediskurs anlehnen, der die gestiegene Komplexität der Gesellschaft durch ein hierarchisches Ordnungsmodell wieder einzufangen sucht. Dagegen verleiht die Liebe – sie tendiert zur Passion– dem Einzelnen Halt, indem sie ihn in totalem Sinn an das geliebte Du verweist. Ein Seitenspross zur passionierten Liebe ist Freundschaft, die an die Stelle der Waffenhilfe unter Kriegern die empfindsame Kommunikation setzt. Die Arbeit leistet gleichzeitig einen Beitrag zur historischen Semantik und zur Literaturgeschichte der Frühen Neuzeit.