"Freiheit ist immer ..."
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Legenden halten sich, Mythen sind unsterblich. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht werden seit ihrer brutalen Ermordung als Helden eines 'menschlichen Sozialismus' verehrt – paradoxerweise gleichermaßen von den verschiedensten Lagern der Linken, die sich in jeder anderen Frage mehr als spinnefeind sind. 'Rosa und Karl' gelten vielen als libertäres Weihwasser gegen den Teufel Stalin, andererseits haben zu DDR-Zeiten die dort regierenden kommunistischen Hardliner die weltweit größten Gedenkdemonstrationen zu Ehren der beiden Toten Jahr für Jahr organisiert. Freilich, und das ist ein weiteres Paradox, mit der gnadenlos durchgesetzten Maßregel, bestimmte Äußerungen (z. B. Luxemburgs Satz: 'Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden') der Verehrten zu verschweigen oder zu unterdrücken. Sicherlich ist es vor allem ihr grausames Ende, die Ermordung durch rechtsradikale Söldner, die sie zu Märtyrern eines (auch damals völlig zerstrittenen, also gar nicht existierenden) 'reinen' Sozialismus' machten und damit ungefragt auch zu Leitbildern völlig entgegengesetzter politischer Positionen. Aber welche anderen Gründe gibt es? Manfred Scharrer beschreibt die Blitzkarrieren der beiden sprachgewandten Akademiker in der Sozialdemokratie, verfolgt die verbale Radikalisierung ihrer Positionen im Streit mit den 'Revisionisten', ihre spätere Entfernung von der SPD, und stellt vor allem in der Zeit 1918/19 eine zunehmende Widersprüchlichkeit ihrer eigenen Positionen (mal für mehr Demokratie, mal für mehr Diktatur, mal für die bolschewistische Linie, mal dagegen – beides aber immer apodiktisch vorgetragen) wie eine ebenso zunehmende Unfähigkeit fest, die Machtverhältnisse innerhalb der Linken und vor allem innerhalb der Gesellschaft einzuschätzen.