Skorpion und Skorpiongöttin im Alten Ägypten
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Land- und Wasserskorpionen, die im allgemeinen als gefährliche Tiere gelten, begegnet man in der altägyptischen Kunst auf den verschiedensten Denkmälergruppen. Dabei zeigt die Wiedergabe des Landskorpions auf den Siegelamuletten, dass keineswegs ein todbringender Aspekt des Tieres im Vordergrund steht, sondern Verhaltensweisen wie das Tanzen der Tiere beim Zeugungsakt oder die fürsorgliche Brutpflege der weiblichen Tiere. Im vorderasiatischen Bereich kommt ganz klar die Verbindung von Göttin und Skorpion im Bereich der Sexualität zum Tragen, ein Aspekt, der im Ägyptischen eher im Hintergrund anklingt. Der Komplex von Geburt und Wiedergeburt spielt in den verschiedensten Ausprägungen eine Rolle. So erscheinen Skorpiongöttinnen auf den Tempelreliefs im Rahmen des königlichen Geburtszyklus und sind mit dem König in verschiedenen Kultszenen verbunden. Auf die Skorpiongöttin Selkis, die unter anderem als die gilt, „die, die Kehle atmen lässt“, hat der Wasserskorpion mit seiner ungewöhnlichen Atemtechnik Einfluss genommen. Die Charakteristika beider Tiere lassen sich aber nicht eindeutig voneinander trennen und die verschiedensten Assoziationen hat man sicher bewusst eingesetzt. Ausserdem tritt der Skorpion mit dem Schen-Ring als Begleiter des Königs bei Laufdarstellungen vor Göttinnen und Göttern mit Fruchtbarkeitsaspekten in den Tempelreliefs auf. Als Garanten des Schutzes und der Wiedergeburt sind Skorpion und -göttin in den Pyramidentexten des Alten Reiches und in den Jenseitsbüchern des Neuen Reiches belegt. Beliebt ist die Selkis in den Gräbern ramessidischer Königinnen. Ausserdem findet sie sich in gleicher Funktion auf Särgen, Kanopenkästen und -gefässen sowie in den Totenbuchpapyri. Aus der Spätzeit stammen zahlreiche Göttinnenfiguren, die die Selkis eng mit der Isis verbinden und so in den Kreis der grossen Muttergöttinnen aufnehmen. Ausgehend von den Schedstelen der Amarnazeit spielen Skorpion und -göttin eine bedeutende Rolle im magischen Bereich der Horusstelen und Heilstatuen. Eine besondere Gruppe bilden die Denkmäler der Frühzeit, die in einigen Fällen eine enge Beziehung zu dem König mit dem Namen „Skorpion“ besitzen. Dass neben allen positiven Eigenschaften Skorpione eine Gefahr für den Menschen sind, zeigen die Aufgabenbereiche der Selkisbeschwörer, die im weitesten Sinne zum medizinischen Personal gehören und bei Expeditionen in die Steinbrüche und zu den Bergwerken sowie in Deir el-Medineh eingesetzt wurden, um die Auswirkungen von Skorpionstichen zu behandeln. Die Magier der Selkis gehen mit Zaubersprüchen gegen diese Tiere vor. Die Tätigkeit der Skorpionentferner (-vertreiber) kann man mit der des modernen Kammerjägers vergleichen.