Schlüssel zum Glück und Kreuzwege der Leidenschaften
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Um 1900 formen sich in Russland vor allem in den Großstädten Moskau und St. Petersburg Züge einer modernen Massenkultur und -literatur aus, die zunächst nicht nur von den Apologeten der Volksaufklärung, sondern auch von den zur Avantgarde zählenden Literaten kritisch aufgenommen werden. Zeugnisse für ein sich nur allmählich wandelndes kulturelles Bewusstsein sind die zahlreichen Stellungnahmen zum Phänomen jeglicher „Massenkunst“ wie Kino, Theater und Boulevardliteratur, die zunächst seismographisch das Gefühl einer kulturellen Krise bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs aufnehmen und verstärken. In der vorliegenden Arbeit werden vor diesem kulturhistorischen Hintergrund die Romane und Erzählungen der ersten russischen Bestsellerautorinnen Anastasija Andreevna Verbickaja (1861-1928) und Evdokija Apollonovna Nagrodskaja (1866-1930) analysiert und in einer spezifisch russischen Tradition der Unterhaltungsliteratur verortet. Die Fokussierung der zentralen Themenkreise „Kunst“, „Liebe und Geschlechterbeziehungen“ und „Okkultismus“ zeigt auf, wie die zeitgenössischen Wissensdiskurse Eingang in die populären Genres finden und für die Rezipienten Anstöße zu Reflexion und Relativierung des Eigenen geboten haben mögen. Als dominierender Diskurs erweist sich nicht nur in den Texten selbst der Geschlechterdiskurs, vielmehr determiniert dieser auch die literaturkritische und -theoretische Diskussion um „gute“ und „schlechte“ Literatur, die somit in erheblichem Maße von geschlechterdifferenten Argumentationsmustern durchzogen ist.