Berlin - Moskau - Sosswa
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Wolfgang Ruge hat als Historiker viele Bücher geschrieben, darunter Biographien über Gustav Stresemann, Paul von Hindenburg, Matthias Erzberger und Adolf Hitler (bis 1933). Seine Autobiographie ist vielleicht sein wichtigstes Buch: Niemand außer ihm hätte es schreiben können. Geboren wurde Wolfgang Ruge am 1. November 1917, im Epochenjahr des 20. Jahrhunderts. Als der Faschismus an die Macht kam, flohen seine Eltern in die Sowjetunion. Aufgewachsen in einem kommunistischen Elternhaus, junger Pionier und Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes machte er sich Ende 1933 auf die Reise in das 'Gelobte Land'. Erst 1956 gelingt die Rückkehr aus der Welt der Lager, in die er mit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion als politischer Emigrant, ab 1936 als sowjetischer Staatsbürger, aber stigmatisierter 'Deutschländer' verbracht wurde. Die 'ewige Verbannung' hatte erst jetzt ein Ende. In der DDR war Wolfgang Ruge von 1956 bis zu seiner Emeritierung 1982 herausragender Historiker an der Akademie der Wissenschaften der DDR. 1988 wurde er mit der Ehrendoktorwürde an der Friedrich-Schiller-Universität Jena ausgezeichnet. Gerühmt wurde er vor allem als unverwüstlicher Erzähler, disziplinierter Arbeiter, großherziger Freund und analytischer Geist. Sein Leben als Arbeitsarmist in Sosswa (Nordural) blieb dagegen weitgehend verborgen. In seinen Memoiren über 24 Lebensjahre in der Sowjetunion erleben wir nunmehr Flucht, Exil, Deportation, Lagerhaft und Verbannung des Arbeitsarmisten. In dieser Zeit wird der grenzenlose Optimismus des heranwachsenden jungen Mannes durch den Einblick in den Abgrund menschlicher Widersprüche und die Erfahrungen mit dem System Stalins von unten gebrochen. Mit diesen präzisen Erinnerungen ist zum ersten Mal nachvollziehbar, was es hieß: Arbeitsarmist in der Sowjetunion zu sein. Sachbuch oder Belletristik? Wolfgang Ruge vereint in sich die Exaktheit des Forschers und wachen Zeitzeugen mit der Brillianz des Schriftstellers. Der vielfach gepriesene Sinn des Autors für die Aussagekraft des Anekdotischen macht die Lektüre auch zu einem geistigen Genuß. Der für seine Stresemann-Biographie mit einem Literaturpreis Ausgezeichnete legt hiermit ein ebenso packendes wie präzises Buch vor, an dem Humanisten aller Schattierungen nicht vorbeigehen können.