Kinder Afghanistans
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Dicht gedrängt sitzen 30 Mädchen auf dem Boden. Stühle gibt es nicht in der Schule in Qala-e-Naw. An den Wänden hängen Plakate, die vor Minen warnen. Ein neuer kleiner Ofen mit Diesel betrieben, vertreibt die Kälte aus dem Raum. Erwartungsvoll schauen die Mädchen auf die Lehrerin. Viele bedecken ihr Gesicht mit einem Schleier, sobald ein Mann den Raum betritt. Zum ersten Mal seit Jahren können sie zur Schule gehen. Die Provinzhauptstadt Quala-e-Naw liegt im Westen Afghanistans. Überall Lehmhäuser, Straßen, die sich bei Regen in eine matschige Masse verwandeln. In der Grundschule für Mädchen sind 1.300 Kinder eingeschrieben. Schulen für Mädchen sind noch immer die Ausnahme, ein gemeinsamer Unterricht von Jungen und Mädchen ist undenkbar. Und da es an Schulen fehlt, werden zuerst die Jungen zum Unterricht geschickt. Mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes fördert die Deutsche Welthungerhilfe elf Schulen in der Provinz Badghis. Inzwischen besuchen rund 6.000 Schüler wieder den Unterricht von der Klasse 1 bis 6, darunter mehr als 2.000 Mädchen. Frühstückspause mit Tee und Keksen. Manche Kinder stecken die Kekse schnell in die Tasche: für zu Hause, vielleicht für jüngere Geschwister. Gegen 12 Uhr gibt es ein landestypisches Mittagessen: Reis und Hülsenfrüchte. Für viele ist das die einzige warme Mahlzeit am Tag. Angesichts des unerwarteten Ansturms hat man für die Essensverteilung ein großes Zelt auf dem Schulhof aufgeschlagen. Es ist schwer, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen. Besonders die Mädchen sind verschüchtert, schöpfen nur langsam Vertrauen. Dann aber wollen sie alle aus ihren veralteten Büchern vorlesen, wollen zeigen, was sie schon gelernt haben. Ihre strahlenden Gesichter lassen die Probleme des Alltags vergessen. Es gibt keinen Strom, kein Wasser, kein Fernsehen, kaum Telefone und keine Zeitungen. Problematischer noch ist die desolate Sicherheitslage. Erst kürzlich zogen Söldner durch die Region und „beschlagnahmten“ an mehreren Schulen den Diesel, der für die Öfen vorgesehen war. Für die Kinder ist vor allem eins wichtig: dass der Unterricht stattfindet und sie jeden Tag zur Schule gehen können.