Krankheit und Gesundheit als gesellschaftliche Konstruktion
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Dieses Buch besteht aus einer Aufsatzsammlung des Autors aus den Jahren 1979 bis 2003. „Gesundheit und Krankheit als gesellschaftlich Konstruktion“ bezeichnet den Sachverhalt, dass uns Körperzustände nicht unmittelbar zugänglich sind. Wenn wir über Gesundheit oder Krankheit reden, so beziehen wir uns immer auf ein bereits kommunikativ zugerichtetes Konstrukt. So sicher es Gesundheit und Krankheit in der wirklichen Wirklichkeit gibt, so sicher ist deren kognitive letztendliche Unfassbarkeit, weil jede Auseinandersetzung mit ihnen kommunikativ imprägnierte und irritierte „Bewußtseine“ voraussetzt. So präformiert unsere gesellschaftliche Existenz ganz wesentlich unseren Umgang mit Körperzuständen und Befindlichkeiten und widerlegt so naive ontologische Vorstellungen von der allein „vorgesellschaftlichen“ Existenz von Krankheit und Gesundheit. Die Medizin ist auch schon deshalb eine „soziale Wissenschaft“, um uns auf Virchow zu beziehen, weil die soziale Welt, in der wir leben, alle Etikettierungen und jede Attribuation mitprägt. Nicht nur unsere Auffassungen von Gesundheit und Krankheit sind gesellschaftlich „überdeterminiert“, die gesellschaftliche Ordnung selbst wirkt als Agens des Krankheitspanoramas, als die meisten Krankheiten – denken wir nur an die chronisch-degenerativen Erkrankungen – das eine Mal direkt, das andere Mal vermittelt und subtil gesellschaftlich „mit verursacht“ sind. Unsere Körperlichkeit ist zwar außergesellschaftlich, wird aber durch gesellschaftliche Einflüsse affiziert. Die vorgelegten Aufsätze gehen in unterschiedlicher Form auf diese sozialen Verursachungszusammenhänge ein. Einige Aufsätze bemühen sich um eine „soziale Krankheitsätiologie“, andere befassen sich mit dem Gesundheitsbetrieb als sozialem System und gehen so der sozialen „Bearbeitung“ nach und wieder andere fragen nach der herrschaftssoziologischen Aneignung dessen, was als Gesundheit und Krankheit rubriziert wird. Für alle Aufsätze gemeinsam gilt: In der politisch und ökonomisch dominierten Diskussion um Gesundheit und Gesundheitswesen hat die soziologische Betrachtungsweise in der Öffentlichkeit an Bedeutung zuzulegen! Nur sie kann uns vor der naiven Vorstellung schützen, dass wir auf gesellschaftlicher Ebene so weitermachen können, wenn wir alleine dem Individuum zunehmend die Verantwortung für seine Gesundheit „zuschanzen“. Wir vertreten die These, dass Krankheit auch eine außergesellschaftliche Folgewirkung des gesellschaftlichen Prozessierens ist. Dabei droht die Moderne an den gesellschaftlichen wie außergesellschaftlichen Folgewirkungen ihrer Prozesse wie funktionale Differenzierung, Individualisierung, Zerstörung subsistenzbasierter Lebensformen, Kontraktualisierung, Auflösung gemeinschaftlicher Netzwerke, zu ersticken.