Personenverstehen
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Was Milan Kundera an einer Stelle in seinem Roman „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ knapp, aber doch plastisch schildert, gibt eine Erfahrung wieder, die mich veranlaßt hat, dieses Buch zu schreiben: „Er hörte sich ihre Lebensgeschichte begierig an, und sie hörte ihm genauso begierig zu. Sie verstanden zwar die Bedeutung der Wörter, die sie einander sagten, doch das Rauschen des semantischen Flusses, der diese Wörter durchströmte, konnten sie nicht hören.“ Stellt nicht, so fragte ich mich beim Lesen dieser Stelle, „das Rauschen des semantischen Flusses, das man nicht hören kann“, die Metapher dar, die das von einer Person Ungesagte bezeichnet - das, was sie vielleicht zu verstehen gab, vielleicht aber auch nicht zu verstehen geben wollte oder vielleicht auch das, was nicht verstehbar ist? Und wie ist es mit dem Verstehen, wenn eine Person einer anderen gar nicht ihre Lebensgeschichte erzählt, sondern einfach nur mit ihr zusammen lebt? Und was ist der Fall, wenn eine Person über viele Jahre nur Arbeitskollege ist, immer die „Bedeutung der Wörter, die sie einander sagten“ verstanden hat und trotzdem nicht weiß, was dieser Arbeitskollege für ein Mensch ist? Und wer kennt nicht das Erlebnis einer großen und gegenseitigen Zuneigung zu einem anderen Menschen, die irgendwann zu Ende geht und nur noch ein absolutes Rätsel des Verstehens übrig bleibt, worum es sich bei diesem Menschen gehandelt hat?