Interregionalität
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Wie erleben Schülerinnen und Schüler die Öffnung der Grenzen zwischen den europäischen Ländern? Administrative, wirtschaftliche und politische Barrieren wurden zwar geöffnet, aber die Jugendlichen sind emotional noch nicht bereit für eine Öffnung zum Nachbarn. Dies zeigt eine empirische Studie zur Selbst- und Fremdeinschätzung von 15-jährigen Jugendlichen in der Südpfalz und im Nordelsass in diesem Band. Auf diese Abwehrhaltung müssen die Schulen der deutsch-französischen Grenzregionen reagieren. Dabei wird gefordert, dass nicht nur eine interkulturell ausgerichtete Pädagogik eingreifen sollte, sondern auch eine interregionale, die die Besonderheiten grenzüberschreitender Räume in den Blick nimmt. Insbesondere der Literaturunterricht, zu dessen Aufgaben u. a. die Bildung einer personalen Identität gehört, könnte eine wichtige Rolle spielen. Wichtigste VorausSetzung für einen interregionalen Unterricht wäre eine Kanonrevision, d. h. auch jene Texte müssten gelesen werden, die nicht dem nationalen Kanon angehören, sondern Literaturen von sogenannten Minderheiten - die Migrantenliteratur und die Regionalliteratur. Die besondere Situation an der Grenze verlangte außerdem den Blick auf andere Regionalliteraturen und die Nationalliteraturen der Nachbarländer. Die Literaturdidaktik könnte hier Tendenzen der Entnationalisierung aufgreifen, wie sie auch in der Literaturwissenschaft immer wieder diskutiert werden. Annette Kliewer zeigt in ihrer Habilitation, ausgehend von ihren Erfahrungen an einem Gymnasium in der Südpfalz, welche Methoden in einem interregionalen Literaturunterricht ab der 5. Klasse verwendet werden könnten, um diese Kanonrevision umzuSetzen. Auf der beiliegenden CD finden sich auf ca.800 Seiten direkt einSetzbare didaktische Unterrichtsreihen jeweils für die Orientierungsstufe und die Sekundarstufen I und II. Die pfälzisch-elsässische Nachbarschaft ist als Modellfall für eine kulturell gelebte Grenznachbarschaft im heutigen Europa zu sehen, die Ergebnisse der Arbeit können auch auf andere Grenzen übertragen werden. Sie zielen auf eine konsequente Umkehrung der Perspektive innerhalb der interkulturellen Pädagogik. Trotz vielfacher Gegenbewegungen hat hier immer noch der Ansatz einer Ausländerpädagogik Geltung, die darauf zielt, die Fremden in unsere - als homogen erscheinende - Kultur zu integrieren. Bei der Konzeption eines interregionalen Unterrichts geht es dagegen darum, diese Homogenität des Eigenen in Frage zu stellen. Die Arbeit leistet demnach einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung von Konzepten, die Jugendliche für die europäische Integration interessieren sollen, zeigt doch die aktuelle Krise des Europagedankens, dass Politik zu lange Zeit die Beteiligung der BürgerInnen vernachlässigt hat.