Frauen im Spiegel
Authors
More about the book
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Entstehung und dem Gehalt des Perseus-Zyklus’ von Edward Burne-Jones, einer achtteiligen Folge von zum Teil unvollendet gebliebenen Ölgemälden, an denen der britische Maler von 1875 bis zu seinem Tod 1898 arbeitete und die sich heute in der Staatsgalerie Stuttgart befinden. Nach einer einleitenden Betrachtung des Forschungsstandes wird zunächst der Künstler selbst vorgestellt: seine Biografie, seine künstlerische Entwicklung und die wichtigsten Einflüsse, die sein Werk prägten. Die hierauf folgenden, unter der Überschrift „Der Perseus-Zyklus: Kontext und Enstehung“ zusammengefassten Kapitel sollen die Basis schaffen für die spätere Betrachtung einzelner Bilder. Sie beschäftigen sich zunächst mit der Mythenrezeption der Viktorianer und dem Wechselspiel von Kunst, Kritik und Publikum. Neben dem Zusammenhang von Antikenrezeption und der Krise der christlichen Religion durch die Erkenntnisse der Wissenschaften spielt hier vor allem die etwa zur Jahrhundertmitte einsetzende Diskussion um die Rolle der Frau eine große Rolle, und um die Frage, welche Ideale von Weiblichkeit und Männlichkeit angestrebt werden sollten. Gerade die griechischen Mythen wurden – sei es von Malern, Dichtern, Historikern oder Kunsttheoretikern – benutzt, um „ewige Wahrheiten“ festzuschreiben. Zwei Autoren, die hier, gerade im Zusammenhang mit Burne-Jones, eine herausragende Rolle spielen, sind John Ruskin und Walter Pater. Weitere Kapitel widmen sich Arthur James Balfour, dem Auftraggeber des Perseus-Zyklus, William Morris, dem Autor der wichtigsten literarischen Quelle der Bilder („The Earthly Paradise“) sowie den Umständen der Auftragvergabe, der Entstehung des Zyklus’ und seinem Einfluss auf andere Künstler. Der Hauptteil der Arbeit wird an den einzelnen Bildern des Perseus-Zyklus entlang erzählt. Im Verlauf dieser „Erzählung“ werden (neben bildimmanenten Fragestellungen) verschiedene Themen im Detail diskutiert, die jeweils zum Verständnis beitragen – beispielsweise das Verhältnis von Burne-Jones zum Symbolismus oder zu Richard Wagner; seine Rezeption von Michelangelo, Botticelli oder der Plastik der klassischen Antike; die biographischen Bezüge einzelner Gemälde; die Ausstellungspraxis im viktorianischen England; die leidenschaftlich geführten Debatten um Aktmalerei, Rittertum, Prostitution, Androgynität oder Ehe. Angestrebt wird eine möglichst umfassende und ergebnisoffene Herangehensweise sowie Pluralität in der Methodik. Psychoanalytische Ansätze beispielsweise werden aufgegriffen, wenn sie tatsächlich Erkenntnis über den eigentlichen Untersuchungsgegenstand, die Bilder, versprechen, aber auch mit kritischer Distanz diskutiert, wenn sie den Interpretationshorizont einzuengen drohen. Die Bilder des Perseus-Zyklus sollen aus ihrer Zeit heraus erklärt, und zugleich soll ein Bild der viktorianischen Epoche anhand ihrer Kunst gezeichnet werden. Im Zentrum steht dabei (für Burne-Jones und ebenso für diese Dissertation) das Verhältnis der Geschlechter. Die Bandbreite weiblicher Gestalten, wie sie der Perseus-Mythos bietet, ermöglicht es dem Künstler, verschiedene Konstellationen und Möglichkeiten der Begegnung durchzuspielen und unterschiedliche Aspekte seines Frauen- und Männerbildes darzustellen. Am Ende dieser Suche (des Helden wie auch des Malers selbst), im Abschlussbild The Baleful Head, kommt Burne-Jones zu einem Fazit, das so widersprüchlich ist, wie sich ihm die Thematik darstellt und das – so ist zu hoffen – dem Leser der Dissertation in seiner Genese verständlich geworden ist.