Der Ostdeutsche - ein Fehlgriff der sozialen Evolution?
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Das 20. Jahrhundert, das Jahrhundert des Sieges des Kommunismus über den Nationalsozialismus und seines selbst verschuldeten Zusammenbruchs, hinterließ in den Industriestaaten als Erbe die liberale Demokratie. Der damit ausgelöste politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel in den postsozialistischen Staaten vollzog sich mit besonderer Dramatik in Deutschland. Auf seinem Territorium, Ausgangspunkt zweier verheerender Weltkriege, erfolgte mit dem Untergang der DDR gleichzeitig die Vereinigung zweier Staaten, wie sie gegensätzlicher nicht sein konnten. Der in Verantwortung der Bundesrepublik dilettantisch realisierte Einigungsprozeß führte nicht nur zu einer weitgehenden Deindustrialisierung mit Massenarbeitslosigkeit in dem angeschlossenen Landesteil, der Rückkehr des mit zerstörerischer Kraft ausgerüsteten Eigentums, einer sozialen Umstrukturierung der Gesellschaft mit Ausgrenzung der alten DDR-Eliten im Osten, sondern behindert zunehmend das, was als innere Einheit apostrophiert wird. Zudem beginnt sich fortschreitend auch der Westen des vereinten Deutschlands zu verändern, was die altbundesdeutschen Eliten so nicht vorausgesehen haben und nur zögerlich bereit sind zu akzeptieren. Der von Stefan Heym apostrophierte Igel DDR, den die Bundesrepublik verschluckt hat, verursacht die von dem bekannten Schriftsteller prognostizierten Beschwerden. Die Deutungshoheit für das Leben in der DDR und die Befindlichkeit der Bürger in den neuen Bundesländern nach dem Anschluß, maßen sich die Eliten der alten Bundesländer an, unterstützt von einem kleinen Kreis sogenannter Bürgerrechtler. Doch die Geschichte der DDR und ihrer Menschen ist nicht nur aus der beschränkten Sicht konservativer Denkstruktur zu begreifen, sondern bedarf ergänzend einer alternativen, komplexen Betrachtung. Dazu sind im Wesentlichen die ehemaligen Eliten der DDR in der Lage, die sowohl den Realsozialismus wie auch die bundesrepublikanische Wirklichkeit aus eigenem Erleben kennen und sich weiterhin mit letzterer auseinandersetzen müssen. Ausgegrenzt aus dem gesellschaftlichen Leben werden ihre Überlegungen im offiziellen Diskurs verschwiegen, weil ihre Sicht die DDR nicht auf die These vom „Unrechtsstaat“ reduziert und in der Bundesrepublik nicht das non plus ultra zukünftiger Entwicklung sieht. Um so wichtiger ist es, sich das Denken nicht verbieten zu lassen, die noch bestehenden Möglichkeiten der Demokratie zu nutzen und nicht den ausgetretenen Spuren der „political correctness“ zu folgen. Es kann nur begrüßt werden, wenn die Zahl von wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Biographien aus ostdeutscher Feder zunimmt, selbst wenn versucht wird ihre Breitenwirkung durch Verschweigen und Verleumden zu verhindern. Das vorliegende Buch versucht, sicher unvollkommen und von persönlichen Erfahrungen geprägt, die Widersprüche im Vereinigungsprozeß darzustellen und der Frage nachzugehen, weshalb Politik und Gesellschaft sich als unfähig erweisen, auch den Bürgern einen menschenwürdigen Weg in die Zukunft zu weisen, denen die Teilhabe an der Macht und am Arbeitsleben verwehrt wird.